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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Arme schützend um den Oberkörper geschlungen. »Mein Gott, Mum, irgendjemand muss uns fürchterlich hassen!«
    »Was ist?«, hatte Isabel geschrien, »was ist passiert?«
    »Schau!«
    Thierry an ihrer Seite, hatte Isabel vorsichtig die Hintertür geöffnet. Und dort, auf der Schwelle, lagen drei tote Karnickel, an den Hinterläufen zusammengebunden. An jedem der kleinen Köpfe prangte ein kleiner blutiger Fleck, der verriet, woher sie stammten. »Das ist ja wie Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste .«
    »Byron«, sagte Thierry glücklich.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Isabel. Aber er sagte nichts weiter, ergriff die Kaninchen, brachte sie hinein und legte sie behutsam auf den Küchentisch.
    »Igitt! Leg sie doch nicht dahin! Die sind doch tot!«, kreischte Kitty und drückte sich in eine Ecke, als fürchte sie, die Kaninchen könnten plötzlich wieder lebendig werden und sie anspringen.
    »Schon gut, Schatz«, beruhigte Isabel sie. »Die hat man uns als Geschenk gebracht. Thierry wird sie für uns häuten.«

    »Jemand hat uns Kaninchen gebracht, die er von der Straße gekratzt hat?!«
    »Die sind nicht von der Straße, Dummerchen. Früher haben die Leute ständig Kaninchen gejagt.«
    »Ja, früher haben die Leute auch Kinder in Kamine klettern lassen. Deswegen ist es noch lange nicht in Ordnung.« Kitty schien das Ganze regelrecht abstoßend zu finden. »Wenn ihr glaubt, ich würde tote Kaninchen essen, dann täuscht ihr euch. Igitt! Ihr seid ja widerlich!« Sie rauschte davon.
    Thierry grinste.
    »Zeig mir, wie man das macht, Schätzchen«, bat Isabel. »Zeig mir, was Byron dir beigebracht hat. Dann können wir es zusammen probieren.«
    So ging es beinahe zwei Wochen lang. Frühkartoffeln, aus deren schrumpeliger Haut zarte Triebe hervorbrachen, Saatgut in kleinen Kuverts mit ausführlicher Gebrauchsanleitung, zwei Säcke Mist. Isabel hielt überall nach Byron Ausschau, um sich bei ihm bedanken zu können, aber er ließ sich nicht blicken. Tatsächlich herrschte bis auf sie und die Kinder eine gähnende Leere im Haus. Auch Matt war noch nicht wieder aufgetaucht. Der gelbe Bagger und seine verstreut herumliegenden Werkzeuge sahen aus wie das erdgebundene Gegenstück zur Mary Celeste .
    Thierry breitete eine Plastiktüte auf dem Tisch aus und legte ein Kaninchen darauf. Er drehte es auf den Rücken, mit dem Kopf zu ihm hin. Dann nahm er ein kleines Küchenmesser zur Hand, setzte es neben dem flauschigen weißen Bauch an, nahm etwas Fell zwischen die Finger und begann zu schneiden. Isabel musste gegen den Drang ankämpfen, ihm das scharfe Messer wegzunehmen, aber seine Finger machten die Arbeit so geschickt und präzise, wie sie die Geige führte. Auch war er, ebenso wie sie beim Geige spielen, vollkommen in seine Aufgabe versunken. Isabel sah ihm bewundernd zu. Wie sanft er das machte! Dann legte er das Messer beiseite
und begann, das Kaninchen aus seinem Fell zu schälen, beinahe wie aus einem Mantel. Darunter kam das rohe rosa Fleisch zum Vorschein.
    Sie wusste nicht, was sie wegen dieser einen Nacht zu Matt sagen sollte. Sie konnte sich ihr Verhalten nicht erklären, geschweige denn das seine. Alkohol mochte eine Rolle gespielt haben, aber es wäre zu einfach gewesen, das Ganze auf den Rotwein zu schieben. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich ihm in gewisser Hinsicht verpflichtet gefühlt – obwohl die hässliche Wahrheit seiner Offerte ihr Blut zu Eis hatte erstarren lassen.
    Sie war auf einem absoluten Tiefpunkt gewesen, als er erschien, ein starker Mann, der es gewohnt war, die Dinge in die Hand zu nehmen … und dort, im Dunkeln, verloren in ihrer Musik, hatte sie sich weisgemacht, dass er kein Fast-Fremder war. Dass die Nacht und der Wind Laurent zu ihr geschickt hatten. Oder zumindest eine Art Geisterscheinung von ihm.
    Sie konnte nicht behaupten, es nicht gewollt zu haben.
    Ihr Sohn hatte mittlerweile den Kopf des Kaninchens abgeschnitten. Isabel musste ein Schütteln unterdrücken. Sie sah zu, wie er die Messerspitze in den Unterleib des Tiers bohrte, einen Schnitt machte und die Eingeweide hervorzog. Dabei biss er sich konzentriert auf die Unterlippe. Seine Hände sehen aus wie früher, als er noch kleiner war, kam es ihr in den Sinn. Als er noch mit Fingerfarben gemalt hatte, rot und braun.
    Sie hatte sich geradezu schamlos darüber gefreut, Matts Hände an ihrem Körper zu spüren, seine Berührung, seinen Atem, seine starken Arme, mit denen er sie fest an sich zog – sich ihm

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