Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
Lady Andrews?“, fragte Mr Beckett fast unterwürfig.
Helena wandte sich wieder zu ihrem Gesprächspartner um, diesmal mit einem Stuhl als Puffer zwischen ihnen, und umfasste mit beiden Händen die oberste Holzstrebe der Stuhllehne. Das Bild des einsamen, weinenden Mädchens hinter dem Fenster ließ sie nicht kalt. „Sie berichten Miss Casey von Ihrer Entdeckung und organisieren alles so, wie wir es besprochen haben.“
„Miss Caseys Schicksal ist also unwichtig, sollte die Polizei nicht auf meine Bitte eingehen, aber das Kind muss in jedem Fall gerettet werden?“, hakte er noch einmal nach.
Helena war sich nicht sicher, mit wie viel Verschwiegenheit sie bei Emily rechnen konnte. Widerstrebend trat sie näher an Beckett heran, damit sie sich leise mit ihm unterhalten konnte.
Nachdem Mr Beckett sich wortreich und mit vielen Verbeugungen und kaum versteckten Andeutungen über ihre Schönheit verabschiedet hatte, stand Emily auch schon neben Helena. Der Blick der Zofe war kalt, und ihre Worte konnten kaum die Verachtung verbergen, die sie empfand.
„Sagten Sie diesem Mann, Miss Casey sei unwichtig, und man müsse keine Rücksicht auf ihr Schicksal nehmen? Wie können Sie so etwas tun?“
„Ich helfe dem Kind und seiner Mutter. Daran ist doch wohl nichts Verwerfliches.“
„Und dass Miss Casey dabei in Gefahr geraten könnte, nehmen Sie billigend in Kauf?“
„Wenn ich nicht für den Detektiv und dessen Bezahlung sorgen würde, wäre Miss Casey zum einen noch keinen Schritt weitergekommen, was ihre Suche nach dem Kind betrifft. Und zum anderen würde sie in derselben gefährlichen Situation stecken wie nun auch, nur dass die Chancen, das Kind zu retten, weitaus schlechter stünden.“
„Warum tun Sie das, Miss Helena?“, fragte Emily, nun mit sanfter Stimme. „Dieser Deutsche ist für Sie doch nur ein weiterer Mann, mit dem Sie Ihre Eltern bestrafen wollen.“
Helena musterte die ältere Frau kühl und drehte sich daraufhin wortlos weg. Sie würde ihrer Zofe wohl kaum anvertrauen, dass sie sich diesmal, anders als bei ihren Liebschaften zuvor, tatsächlich in Richard Martin verliebt hatte. Sie war bereit, um ihn zu kämpfen, gleichgültig, mit welchen Mitteln. Und dieses Mal würde es ihren Eltern nicht gelingen, den Mann, den sie liebte, gegen sie aufzubringen oder aus dem Weg zu schaffen.
Kapitel 32
Je länger Norah sich den Bericht von Beckett und seine Pläne anhörte, desto mehr Leben und Energie kehrte in sie zurück. Der Mann hatte gründlich nachgeforscht und konnte mit erfreulichen Ergebnissen aufwarten. Seine Ideen, wie sie Katie in Begleitung einiger Polizisten befreien und dann eine Begegnung zwischen ihr selbst und dem Bordellinhaber inszenieren sollten, klangen durchdacht und auch durchführbar. Wenn dieser Ryan erst einmal dingfest gemacht worden war, würde wieder Ruhe in ihr Leben einkehren – und in das ihrer Freunde und Verwandten.
Chloe fragte den Ermittler mit deutlichem Widerwillen in der Stimme: „Ist ein Treffen zwischen Norah und diesem Kerl wirklich nötig?“
„Leider ja, Madam. Wir müssen Mr Cowen ein paar verhängnisvolle Aussagen entlocken, die von den inkognito ins Haus geschleusten Polizisten mitangehört werden. Ansonsten haben wir nicht genug Beweise gegen ihn in der Hand. Außerdem sollte Miss Casey ihn dazu bringen, seinen brutalen Angriff auf Miss Mellows zu gestehen. Wenn wir ihn erst einmal so weit haben, brauchen die beiden ohnehin schon gedemütigten Mellows-Schwestern nicht mehr gegen ihn auszusagen.“
„Mir gefällt das nicht“, murmelte Chloe und drehte sich ungewohnt kraftlos zu ihrer Kochstelle um.
„Die Polizei wird doch immer in meiner Nähe sein, Chloe. Sie tarnen sich als Gäste und werden eingreifen, sollte der Mann mir gegenüber handgreiflich werden.“
„Ryan wird doch wohl kaum in Gegenwart von Gästen und seinen Prostituierten ein Gespräch über Susan und Katie mit dir führen.“
„Die Polizei wird auf alles vorbereitet sein. Vertrauen Sie mir, Madam. Diese Männer sind gut ausgebildet und arbeiten sorgfältig.“
Norah sah Chloes zweifelnden Blick und konnte ihn ihr nicht verübeln. Wie viele Menschen aus dem Wohngebiet um den Hafen hatte sie mit der Polizei so ihre eigenen Erfahrungen gemacht.
„Die Polizisten werden auf mich aufpassen, Chloe.“
„Hoffentlich, Norah“, stimmte ihre Freundin halbherzig zu.
„Wann soll ich das Haus am Queen’s betreten, Mr Beckett?“
„Wir beginnen den Einsatz hier in der Stadt
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