Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
gekramt. Sie hat gesagt, sie sollte den eigentlich Adam Casey, dem Bruder von Norah geben. Das war doch der Matrose von vorhin, oder? Na ja, sie hatte es eilig, und als ich ihr sagte, dass ich Norahs Freund und Adam Casey kenne, hat sie den Zettel mir gegeben. Hier ist er.“ Damit drückte Paul ihm einen sorgfältig gefalteten Zettel in die Hand.
Hastig faltete Richard das Papier auseinander und las Norahs kurze Mitteilung an Adam:
Chloe war hier. Katie wurde entführt. Vermutlich von Ryan.
Fahre sofort zurück nach Belfast.
Die Angst um Norah griff mit eiskalter Hand nach seinem Herzen und schien es ihm aus dem Körper reißen zu wollen. Richard drehte sich einmal um seine eigene Achse, als suche er verzweifelt einen Weg von diesem Schiff herunter. Ein schreckliches Gefühl der Hilflosigkeit überfiel ihn. Er saß hier fest, während Norah einmal mehr ihr Leben in Gefahr brachte! Weshalb hatte sie ihn nicht über die schreckliche Nachricht informiert? Er wäre doch an ihrer Stelle nach Belfast zurückgekehrt, um die kleine Katie zu suchen, während sie auf der Titanic in Sicherheit hätte bleiben können. In diesem Augenblick war Norah gerade dabei, sich erneut diesem Ryan entgegenzustellen, der seine Brutalität bereits erschreckend eindrücklich unter Beweis gestellt hatte.
Richard presste die Zähne so kräftig aufeinander, dass sie knirschten. Er hatte sie doch für den Rest ihres Lebens beschützen und umsorgen wollen. Und nun befand er sich auf diesem luxuriösen Schiff und hatte nichts anderes zu tun, als sich verwöhnen zu lassen – und vor Sorge um Norah halb verrückt zu werden! Ihm blieb nur zu hoffen, dass ihre Freunde auf sie aufpassten. Doch würde das ausreichen, bei einem Mann mit der kriminellen Energie dieses Ryan?
„Verdammt!“, murmelte er ungeachtet der Anwesenheit des kleinen Jungen. „Ich muss zu Adam.“
„Ich helfe Ihnen, den zu finden“, erklärte sich Paul bereit.
„Das ist nicht nötig. Ich frage mich schon durch. Geh zu deiner Familie.“
„Und meine Postkarte?“
„Morgen, Paul“, vertröstete Richard ihn und fuhr ihm entschuldigend über das semmelblonde Haar.
„Tut mir leid wegen der schlechten Nachrichten, Herr Martin.“
„Du kannst ja nichts dafür. Danke für deine Hilfe, Paul.“
Richard schloss seine Kabinentür wieder und lief im Eilschritt los. Von Neuem ärgerte er sich über die endlos langen, vollkommen gleich aussehenden Korridore dieses Schiffs, dank derer er beinahe eine halbe Stunde benötigte, bis er wieder auf dem Bootsdeck anlangte und einen Matrosen nach Adam fragen konnte.
Norahs Bruder reagierte ebenso schockiert wie Richard selbst auf die Nachricht von Katies Entführung und darauf, dass seine Schwester sich ohne ihren Schutz zurück nach Belfast begeben hatte. Sie wollte die kleine Katie retten – und würde sich selbst damit in Lebensgefahr bringen!
Kapitel 31
Ein weiterer Tag war vergangen, ohne dass Norah einen Erfolg vorweisen konnte, weshalb sie abermals wie ein gefangenes Tier im Käfig durch Chloes Wohnung streifte.
„Was ist, wenn für Katie jede Hilfe zu spät kommt? Warum dauert das alles so lange?“, flüsterte Norah halblaut vor sich hin.
Chloe stellte sich ihr energisch in den Weg. „Du weißt so gut wie ich, Sternchen, dass der Tod untrennbar zum Leben dazugehört.“ Die raue Stimme ihrer Freundin riss Norah aus ihren düsteren Grübeleien. „Gerade wir hier haben ihn doch ständig vor Augen. Aber er behält nicht das letzte Wort. Das ist unser Trost, an den wir uns halten. Wir werden alles für Katie tun, was in unserer Macht steht. Alles Weitere liegt nicht in unseren Händen, sondern in den guten Händen Gottes.“
Norah sank weinend in Chloes Arme. „Ich halte dieses untätige Warten einfach nicht mehr aus!“, schluchzte sie. „Ich bin es doch, auf die Ryan es abgesehen hat. Ich muss mich ihm stellen!“
„Lass dem Detektiv doch ein bisschen Zeit, Norah. Es bringt nichts, wenn du jetzt Dummheiten machst. Dann seid ihr vielleicht beide verloren.“ Chloe strich ihr mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen über die Haare. „Diesen Sieg dürfen wir ihm nicht lassen. Wir wollen euch beide – Katie und dich, Sternchen!“
„Weißt du, was das Schlimmste ist, Chloe?“, schluchzte Norah und hob den Kopf.
„Ich kann es mir denken: Falls Katie nicht mehr zurückkommt, wird Ella stark genug sein, auch das zu überleben und weiterzumachen. Du aber nicht, weil du dir Vorwürfe machen wirst.“
Norah sah
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