Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
einen Schritt nach vorne.
Der Mann ergriff sie fürsorglich an den Schultern, die wieder einmal wie geplant nur sehr dürftig von dem freizügigen Kleid verborgen wurden.
Helena schluckte ihren Widerwillen herunter und lehnte sich leicht gegen ihn. Den Kopf weit in den Nacken gelegt sah sie zu ihm auf. Dann fuhr sie zusammen, als besinne sie sich auf die mangelnde Schicklichkeit ihres Benehmens, und trat etwas zurück, entfernte sich jedoch nicht weit von ihm.
„Ich werde sehen, ob Miss Casey sich von einem Wohnortwechsel überzeugen lässt“, schlug Beckett vor. „Viele Stewardessen bleiben gern in den Staaten. Sollte sie sich nicht zu einem solchen Schritt bewegen lassen … Lady Andrews, bitte belasten Sie Ihr Gewissen nicht länger. Lassen Sie mich Ihnen helfen.“
„Danke!“, hauchte sie und lächelte ihn strahlend an. Wieder einmal hatte sie einen glanzvollen Auftritt hingelegt! Mühsam beherrscht verließ sie gemessenen Schrittes den Raum.
Kapitel 43
Danny schob sich flink zwischen den in Sitzgruppen angeordneten Tischen und Stühlen in der Lobby seines Hotels hindurch und deutete auf eine Holzbank. Auf dieser ließen Norah, Chloe, Catherine und Eve sich nieder, während er sich einen Stuhl heranzog.
Catherine und Eve sahen sich staunend um. Sie waren noch nie zuvor in der Lobby eines Hotels gewesen, und die Pracht des großen Raumes beeindruckte sie sichtlich. Auch Chloe betrachtete fasziniert die exquisite Ausstattung. Norah hingegen hatte für all das keinen Sinn. Zum einen mochte das daran liegen, dass sie sich aus verschnörkelten Treppengeländern, vergoldeten Lampenfassungen und weich fließenden Vorhängen nichts machte, zum anderen konnte das Hotel, obwohl es eines der besten Belfasts war, kaum mit der Innenausstattung der Olympic oder der Titanic mithalten.
Norah rutschte auf der Holzbank weit nach vorn und beugte sich neugierig zu dem Journalisten. „Der Artikel ist also erschienen, aber du konntest Ryan Cowen zu dem Zeitpunkt weder in seinem Bordell noch auf dem Landsitz finden?“
„Er ist weg. Laut einer seiner Angestellten völlig überstürzt. Er hat einige Wertsachen eingepackt, und sie meinte, ein Ticket der Cunard Line nach New York in seiner Hand gesehen zu haben.“
Chloes freudiger Aufschrei unterbrach den Mann und Eve rief: „Du hast es geschafft, Norah!“
„Nein, ihr habt es geschafft“, erwiderte die junge Frau. Sie spürte die Erleichterung darüber, sich nicht länger fürchten oder gar verstecken zu müssen, wie einen warmen Windhauch, der über ihre Seele strich. Zumindest dieses Kapitel in dem unruhigen Frühjahr konnte sie wohl abhaken.
Danny verschaffte sich durch ein lautes Räuspern energisch wieder Gehör. „Wir können froh sein, dass der Mann offensichtlich Angst vor den Reaktionen seiner betuchten und in der Stadt als ehrenhafte Männer bekannten Gäste hatte und lieber freiwillig das Feld räumte, denn meinen Artikel wird nach der Horrornachricht über die Titanic kaum jemand gelesen haben.“
Chloes Hand legte sich auf Norahs Arm und blieb dort schwer liegen. „Was für eine Horrornachricht von der Titanic ?“
Norah sah erst Chloe an, dann Danny. Was meinte der Journalist? Sie wollte so gern die Erleichterung – den angenehmen Windhauch – festhalten, doch eine frostige Böe jagte ihn davon.
Danny zog ungläubig die Augenbrauen in die Höhe. „Habt ihr noch nichts von dem Unglück gehört? Alle Zeitungen sind voll davon!“, sagte er. „Ein Hobbyfunker in New York hat letzte Nacht Notrufe von der Titanic empfangen. Gegen Morgen wurde der grausame Verdacht dann bestätigt: Die Titanic hat in der Nacht einen Eisberg gerammt und ist einige Zeit später gesunken. Die ersten Meldungen besagten, alle Passagiere seien von einem Schiff der Cunard Line gerettet worden. Die nächste lautete dann, es gebe keine Überlebenden.“
Als Danny das Entsetzen in den Gesichtern der Frauen bemerkte, stockte er. Catherine sah ihn mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Eve schlug entsetzt die Hände vors Gesicht. Chloe hatte beide Arme um Norah gelegt, während diese starr geradeaus an Danny vorbeisah.
Norah empfand eine kalte Leere. Sie hörte, was Danny sagte, verstand die Bedeutung seiner Worte … und konnte dennoch nichts spüren. Danny sprach leiser weiter, und Norah zwang sich, ihm bewusst zuzuhören. Er wusste sicher mehr. Sie brauchte mehr als Gerüchte!
„Chloe hat mir erzählt, dass du, Norah, eigentlich auf der Titanic sein solltest.
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