Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
Vom Netzwerk:
Norah deutlich, wie unsinnig es war, bei ihrer Mutter noch länger um den heißen Brei herumzureden. „Richard.“
    Ihre Mutter schwieg und keuchte noch ein wenig angestrengter. Raubte ihr diese weitere schlechte Nachricht den Atem? Mit Sicherheit hatte ihre Mutter längst durchschaut, wie viel Norah für den Deutschen empfand.
    „Er war Passagier. Vermutlich hat er einen Platz in einem der Rettungsboote ergattert.“ In Norahs Worten lag mehr Hoffnung, als sie selbst verspürte.
    „Vielleicht“, sagte Ellen wieder.

Kapitel 44
    Unfähig zu schlafen oder auch nur ein paar Minuten still zu sitzen verließ Adam das geschützte Innere des Schiffes und trat an Deck.
    Viele der Schiffbrüchigen schliefen dicht gedrängt nebeneinander in den Aufenthaltsräumen, Rauchersalons oder auch im Speiseraum der niedrigeren Klassen. Einige ehemalige Passagiere der Titanic jedoch zogen einen Aufenthalt im Freien vor, obwohl es dort frostig kalt war, der Nebel Feuchtigkeit mit sich führte und sich die See unangenehm widerspenstig zeigte. Vielleicht fürchteten sie sich vor den engen und verwirrend angelegten Korridoren, die ihnen auf der Titanic beinahe zum Verhängnis geworden waren. Dabei mochte es keine Rolle spielen, dass die Carpathia bei Weitem nicht die Größe des untergegangenen Ozeanriesen aufwies.
    Adam trat an die Reling, lehnte sich dagegen und blickte in die dunkle Nacht hinaus. Beinahe drei Tage waren vergangen, seit die Titanic den Eisberg gerammt hatte, und noch immer kam ihm das Ereignis seltsam unwirklich vor, nicht greifbar für ihn. Zwei Männer schlenderten langsam hinter ihm vorbei. Er hörte sie darüber diskutieren, ob es sinnvoller gewesen wäre, wenn Kapitän Smith allen Passagieren von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte. Hätten die Menschen, vor allem die Frauen, sich schneller in die winzig anmutenden, gefährlich an den Davits schaukelnden Boote bringen lassen, wenn ihnen unmissverständlich klargemacht worden wäre, dass die Titanic innerhalb der nächsten zwei Stunden in jedem Fall sinken würde? Wie hoch wäre dann jedoch das Risiko einer gefährlichen Panik gewesen, die das geordnete, ruhige Einbooten unmöglich gemacht hätte?
    Adam wandte sich ab. Auf diese Frage gab es keine Antwort; weder in der Nacht des Untergangs und im Nachhinein schon gar nicht.
    Auf seinem langsamen Spaziergang über das Deck begegnete er zwei Besatzungsmitgliedern der Carpathia. Auch sie diskutierten über die Titanic und über die Lichter des Schiffes, das einige Personen in der Ferne gesehen haben wollten. Dieses hatte nicht auf die mehrfach abgefeuerten Leuchtraketen und die Morsezeichen des sinkenden Liners reagiert.
    Einer der Männer vermutete, die Notsignale seien von der Mannschaft des anderen Schiffes nicht als solche aufgefasst worden. Zum einen gab es keine einheitliche Raketenfarbe für Notfälle 24 und zum anderen entfernten sich in diesen Breitengraden oftmals kleinere Fischerboote weit von ihren Mutterschiffen. Um ihnen bei Nacht und zwischen den Eisschollen und Eisbergen den Weg zurück zu zeigen, benutzten die Mutterschiffe Leuchtgeschosse. Warum also hätte sich ein anderes, in der Nähe befindliches Schiff um die unscheinbaren, winzigen Raketen kümmern sollen, falls man sie überhaupt gesehen hatte?
    Adam beschleunigte seine Schritte. Überall wurden diese Diskussionen geführt. Es gab Vorwürfe, Unverständnis und Tausende von Fragen, von denen die meisten, so befürchtete er, wohl niemals wirklich beantwortet werden konnten.
    Der eiskalte Atlantik hatte Kapitän Smith, den Chefzahlmeister McElroy, den Leitenden Offizier Henry Wilde sowie den Ersten Offizier William Murdoch verschluckt. Auch Thomas Andrews und alle an Bord befindlichen Mechaniker und Ingenieure waren ihnen in das eisige, dunkle Grab gefolgt. Wem also sollte man die Fragen stellen? Bruce Ismay, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der White Star Line , der irgendwie in ein Rettungsboot gelangt war, obwohl viele fanden, er hätte zurückbleiben müssen? Er hatte verwirrt gewirkt, als er in seiner Kabine verschwunden war, und seitdem hatte er sich dort eingeschlossen.
    Adam suchte sich einen Platz weit entfernt von allen anderen Menschen, damit er keine weiteren Gespräche mehr mit anzuhören brauchte. Dort lehnte er sich mit dem Rücken an die äußere Bordwand, legte den Kopf in den Nacken und blickte zum bedeckten Himmel hinauf.
    Seine Gedanken wanderten zu den anderen Besatzungsmitgliedern, die er an Bord der Carpathia nicht gefunden

Weitere Kostenlose Bücher