Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
überhaupt Lust verspürt, ernsthaft gegen mich zu intrigieren.“ Norah zuckte mit den Schultern und fuhr nach einer längeren Pause fort: „Chloe, dieser Ryan hatte es auf mich abgesehen und gleichzeitig auch die beiden Männer, die mich mit der anderen Norah verwechselt haben. Das muss doch jetzt erst mal genügen. Oder bringe ich wirklich jeden gegen mich auf?“
Kapitel 42
Bereits eine Stunde nach Norahs und Chloes Besuch bei Helena fand sich Mr Beckett auf dem Anwesen der Pirries in Belfast ein. Helena erhob sich und schlenderte in die Empfangshalle hinüber. Sie freute sich nicht gerade auf ein Wiedersehen mit diesem schmierigen Kerl, doch sie war sich sicher, er würde für Geld und ein paar freundliche Worte von ihr beinahe alles für sie tun.
Bevor sie den Raum betrat, stellte sich ihr ihre Zofe in den Weg. „Was haben Sie vor, Miss Helena?“, fragte sie eindringlich, und ihre Stimme klang diesmal tatsächlich aufgebracht.
„Das geht dich nichts an.“
„Sie stürzen sich selbst ins Unglück, Miss Helena.“
„Auch das hat dich nicht zu interessieren.“
„Wie Sie meinen.“ Die Frau wandte sich ab und ging hinaus.
Einen Augenblick sah Helena ihr nach. Es machte ihr nichts aus, diesen alten Vogel zu kränken, der ihr als Aufsichtsperson von ihren Eltern vor die Nase gesetzt worden war, sie musste aber achtgeben, den Bogen nicht zu überspannen. Helena hob den Kopf und straffte die Schultern. Sie würde sich nachher bei Emily entschuldigen, nahm sie sich vor. Schließlich wollte sie nicht riskieren, dass die Zofe sich bei ihren Eltern über sie beklagte. Diese hatten ihr schon einmal für einen gewissen Zeitraum das ihr zustehende monatliche Geld gestrichen. Mit einem Lächeln trat sie auf den unruhig auf und ab gehenden Detektiv zu. Seine Augen leuchteten erfreut, als er sie sah, und sofort eilte er ihr entgegen.
Helena strahlte ihn an und ließ sich von ihm die Hand küssen, wenn sie auch innerlich dabei schauderte. Er ließ ihre Hand nicht wieder los – wie es ihm der Anstand eigentlich hätte gebieten müssen –, sondern hielt sie fest in seiner. Widerwillig ließ Helena es geschehen, ja, sie trat sogar noch ein wenig näher zu ihm, wobei ihr reichlich aufgetragenes, schweres und süßliches Parfum ihn wie eine Wolke umschloss.
Als sie bemerkte, wie er förmlich nach Luft schnappte, entlockte das Helena ein kleines Kichern. Sie genoss die Macht, die sie über so manchen Mann ausüben konnte. Nur bei Richard Martin schienen ihre Reize ihre Wirkung verfehlt zu haben.
Umso entschlossener nannte sie eine Geldsumme, die zu zahlen sie bereit war, damit das leidige Problem Norah Casey endlich aus der Welt geschafft wurde. Auf das Geld, das ihre Eltern ihr für die nächsten zwei Monate zum Leben zur Verfügung stellten, würde sie in diesem Fall gern verzichten.
Der Mann machte große Augen und rang schon wieder nach Luft. Seine heisere Frage ließ erkennen, dass ihm die Tragweite ihres neuen Auftrags allein durch die genannte Summe durchaus bewusst war: „Was genau soll ich tun?“
„Ich finde, mein guter Mr Beckett, Norah Casey könnte einen bedauerlichen Unfall haben.“
Erschrocken wich der Mann zurück, ließ jedoch zu ihrem Bedauern ihre Hand noch immer nicht los. Prüfend sah sie in seine geweiteten Augen. Hatte sie sich in dem Mann getäuscht? Ob die gebotene Geldsumme nicht ausreichte? Helena drehte sich, scheinbar übermannt von Schmerz und Schuldgefühlen, von ihrem Gesprächspartner fort, wobei sie mit ihrer linken Brust gekonnt die Hand des Mannes streifte, die noch immer die ihre fest umschlossen hielt.
Sie hörte Beckett heftig atmen und lächelte siegessicher vor sich hin. Ja, sie war eine Meisterin der Manipulation und würde – wie immer – bekommen, was sie wollte. Helena entspannte ihre klassisch schönen Gesichtszüge und drehte sich dann scheinbar verlegen wieder zu ihm um. Mit ihren großen blauen Augen schaute sie ihren Gesprächspartner unschuldig an und seufzte. „Das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich war zu impulsiv. Verzeihen Sie bitte.“
„Macht sie Ihnen das Leben schwer, Lady Andrews?“
Helena triumphierte innerlich. Sein männlicher Beschützerinstinkt war geweckt. „Wenn es nur das wäre, Mr Beckett! Sie macht mir mein Leben nahezu zur Hölle. Sie quält mich.“ Helena fasste sich in einer theatralischen Geste mit der freien Hand an die Stirn und senkte den Kopf, als wolle sie ihre Tränen verbergen. Ihre Schultern bebten und sie taumelte
Weitere Kostenlose Bücher