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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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hatte. Als er an Dylan und Rick dachte, krampfte sich in seinem Inneren alles schmerzhaft zusammen. Zum ersten Mal, seit die Titanic dröhnend und tosend im Meer versunken war, machte er sich bewusst, dass er seine Freunde verloren hatte. Noch immer die Augen dem Himmel zugewandt, presste er die Zähne aufeinander und unterdrückte nur mühsam einen Aufschrei. Dafür liefen ihm die Tränen über das bärtige, vom eisigen Wasser und der kalten Luft in der Nacht des Untergangs gezeichnete Gesicht. Dylan ließ Eve zurück, Richard Norah. Wie viel Schmerz und Trauer würde der Tod der beiden Männer bei den Mädchen auslösen? Ein Meer aus Tränen …
    Dylan war ihm ein echter Freund gewesen. Er hatte ihm zur Seite gestanden, gleichgültig, wie gut oder wie schwer der Tag gewesen war. Dylans Humor hatte Adam manchen trüben Tag erhellt. Nun blieb er ohne ihn zurück. Das kalte Meer hatte ihn für immer von ihm gerissen.
    Und Richard? Der verlässliche Ruhepol, der perfekte Gegenpart für seine geliebte Schwester, die nun vergeblich auf seine Rückkehr warten würde …

    „Ich habe sie gefunden!“ Eine helle Mädchenstimme riss ihn aus seinem Schmerz. Adam wischte sich mit der Hand seine Tränen aus dem Gesicht.
    Vor ihm stand Ruth Becker, und an der Hand hielt sie eine Frau, die unverkennbar ihre Mutter war.
    „Stundenlang habe ich gesucht. Aber dann habe ich meine Mutter und die beiden Kleinen gefunden!“
    „Das ist schön, Miss Becker“, sagte Adam und erinnerte sich an den Wunsch der älteren Dame. Zumindest manche Familien waren also doch nicht auseinandergerissen worden.
    „Sie haben …“, Ruth zögerte kurz und warf einen prüfenden Blick auf sein Gesicht, „Sie haben Mr Martin nicht gefunden? Und Ihren Freund? Er ist Heizer, nicht?“
    „Leider nicht, Miss Becker.“
    „Das tut mir sehr leid. Mr Martin war immer so freundlich zu mir und den anderen Kindern. Und Ihr Freund, der Heizer, war sehr lustig. Das glaube ich zumindest, denn ich habe ihn ja nur einmal getroffen.“
    „Ja. Er war ein lustiger, übermütiger Kerl. Und ein tapferer Mann dazu. Er war einer der Männer, die bis zuletzt die Feuer im Kessel in Gang gehalten haben.“
    Mrs Becker trat vor und legte ihre Hand auf seine Uniformjacke. „Ich weiß nicht, ob es Ihnen etwas bedeutet. Aber ich möchte gern für Sie beten, damit Sie in diesem schrecklichen Verlust Trost erfahren. Sagen Sie mir Ihren Namen und den Ihres Freundes?“
    Adam nannte seinen und auch Dylans Namen, musste sich dann aber abwenden. Ihre Worte bedeuteten ihm viel, und mit Sicherheit würde es auch Eve wichtig sein zu wissen, dass Dylan in der dankbaren Erinnerung wenigstens einer Familie als ein Held und Lebensretter weiterleben würde.
    Seine Gedanken wanderten zu seiner Schwester und wieder wühlte ihn dieser schreckliche innere Schmerz auf. Sie hatte Rick so schnell wieder verloren, und das ohne die Möglichkeit, sich von ihm verabschieden zu können, ohne, dass sie jemals erfahren würde, wie es ihm in seiner letzten Stunde ergangen war – aber vielleicht war das auch besser so.
    Eilige Schritte hinter ihm veranlassten ihn, sich nochmals umzudrehen. Ruth blieb in kurzer Entfernung stehen, wagte sich dann aber doch noch einmal zu ihm herüber.
    „Entschuldigen Sie, Mr Casey. Aber vielleicht interessiert es Sie. Ich habe James und Jonathan gesehen. Auch ihre Mutter ist hier an Bord, wenn auch leicht verletzt. Allerdings vermissen sie ihren Vater. Niklas und seine Mutter habe ich auch getroffen und die Familie von Paul.“ Sie zögerte einen Moment, und Adam ahnte bereits, was ihr so schwerfiel auszusprechen. Dann hob sie, beinahe trotzig den Kopf und sagte: „Paul ist nicht bei ihnen.“ 25
    Adam drehte sich zum Meer um und fragte sich, wem er erzählen sollte, dass Jonathans und James’ Vater gestorben war und dass der muntere, freche Paul nicht mehr lebte. Die beiden einzigen Personen, für die dieses Wissen von Interesse sein würde, waren ebenfalls tot.

    Es war der dritte Tag, nachdem die ersten Gerüchte über die Katastrophe die Welt erschüttert hatten, als Norah sich erneut auf den Weg zu Chloe machte – immer in der Hoffnung, endlich Genaueres über die Titanic zu erfahren. Nachts hatte sie lange wach gelegen, fragend, zweifelnd und betend. Die Ungewissheit über das Schicksal der Männer, die sie liebte, quälte sie, doch sie verbarg jede aufsteigende Träne, jeden Anflug von Trauer tief in ihrem Inneren. Jetzt war nicht die Zeit für Tränen und

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