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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Trauer. Sie wussten noch nichts Konkretes, und sie wollte für ihre Mutter und für Eve stark sein.
    „Ich komme mit“, entschied Ellen heute und erhob sich. Ihr Mann rieb sich nachdenklich über den Bart, nickte dann aber. „Ich gehe zur Werft. Vielleicht kommen da verlässlichere Nachrichten an als bei der Presse. Bis jetzt haben sich die Zeitungsmeldungen ständig widersprochen.“ John polterte in den Flur, zog sich seine Schuhe an und verschwand.
    Nachdem sie das Haus verlassen hatten, führte Norah ihre Mutter in die Hafengassen. An jeder Ecke trafen sie auf lautstark diskutierende Menschen, bei deren Unterhaltung der Name Titanic fiel. Norah hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Sprach denn die ganze Welt über dieses Schiff? Allerdings verbreiteten sich die Nachrichten über solche Unglücke dank der Presse mittlerweile rasend schnell.
    Gerade als sie eine Kreuzung überqueren wollten, stockte ihre Mutter, und Norah forderte sie auf: „Noch eine Gasse weiter, Mama.“
    „Da vorne kommen Polizisten, Norah. Fünf Männer. Was wollen die hier?“
    Norah sah an ihrer Mutter vorbei. Tatsächlich marschierten fünf uniformierte Polizisten die Gasse entlang. Einer von ihnen hielt ein großes Blatt Papier in der Hand, an dem er sich offenbar orientierte.
    „Chloe!“, entfuhr es Norah. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. War ihre Vermutung nicht zu weit hergeholt? Chloe selbst hatte gesagt, sie könne bei den beiden toten Männern kaum von jemandem erkannt worden sein. Doch sollte sie sich darauf verlassen? „Mama, halte du die Polizisten bitte auf. Irgendwie“, rief sie ihrer Mutter zu, während sie bereits losrannte.
    Sie überquerte die kleine Kreuzung und lief in die nächste Gasse hinein, wobei sie über eine Unebenheit in dem festgetretenen Boden stolperte. Mit beiden Händen fing sie sich an einer Hauswand ab, um einen Sturz zu verhindern. Da der eng geschnittene Mantel ihre Beinfreiheit beeinträchtigte, knöpfte sie ihn auf, ohne dabei ihren Lauf zu unterbrechen. So erreichte sie zügig ihr Ziel.
    Ohne vorher anzuklopfen stieß sie die Tür auf und platzte in den Wohnraum. Mehrere Augenpaare starrten sie erschrocken an. Norah ergriff Chloe an beiden Händen und zog sie auf die Füße. „Mehrere Polizisten sind hierher unterwegs. Zieh dir Schuhe an und weg mit dir.“
    „Was ist denn los?“, rief Ella erschrocken und drückte Katie schützend an sich.
    „Später. Besser, ihr wisst von nichts.“ Norah trat aufgeregt auf der Stelle, während Chloe in ihre Schuhe schlüpfte und sie hastig zuschnürte.
    Norah wartete, bis die Freundin sich aufgerichtet hatte, bevor sie deren Hand ergriff und sie vor sich her zur Tür schob. Sie warf einen vorsichtigen Blick hinaus auf die Gasse, und als sie sich davon überzeugt hatte, dass die Luft rein war, huschten sie hinaus.
    Nach nur wenigen Schritten bedeutete Norah Chloe, sie solle sich durch einen Spalt in einem der Bretterzäune zwängen. Von dem winzigen Garten aus liefen sie in einen angrenzenden, sehr schmalen Weg, auf dem sie sich nur hintereinander fortbewegen konnten. Norah musste immer wieder auf ihre heftig keuchende Freundin warten, trieb sie aber unnachgiebig weiter und weiter auf diesem stinkenden, mit Unrat übersäten Trampelpfad hinter den Häusern voran.
    Die Sonne drang kaum einmal bis auf den Boden vor, dementsprechend morastig war der Untergrund. Jeder ihrer Schritte wurde von einem schmatzenden Geräusch begleitet und Schmutzspritzer bedeckten unverzüglich ihre Schuhe, Strümpfe, Röcke und Mäntel.
    „Norah, können wir jetzt nicht endlich langsamer gehen?“, rief Chloe vollkommen atemlos. Norah hielt inne. Es war tatsächlich nicht nötig, sich noch länger derart zu verausgaben.
    Ihre Freundin lehnte sich gegen eine der feuchten Hauswände. Ihr Gesicht war hochrot und schweißnass, ihr Atem ging rasselnd, und Norah sah, wie ihre Beine zitterten.
    „Entschuldige, Chloe.“
    „Ist schon gut, Sternchen.“
    „Vielleicht waren die Polizisten gar nicht deinetwegen da.“
    „Ich habe in den vergangenen Stunden nicht einmal mehr an die ganze Sache gedacht“, gestand Chloe keuchend und beugte sich leicht nach vorn, wobei sie die Hände in ihre Seiten stemmte. „Wo soll ich denn jetzt hin?“
    „Du hast doch von dem momentan leer stehenden Haus in der Nähe des Lagan River gesprochen . Dort, wo du Neala während eures kleinen Kreuzzugs untergebracht hattest und wo ich dich schon einmal in Sicherheit bringen

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