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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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das Gigantic heißen sollte. Plötzlich legte sich eine schmale Hand auf Richards Arm. Überrascht wandte er sich von der Gesprächsrunde ab – und sah in die blauen Augen von Helena.
    „Mr Martin, darf ich Sie ein paar Minuten entführen? Wir Damen interessieren uns für die automatischen Klaviere. Vielleicht können Sie uns erklären, wie sie funktionieren?“
    Richard warf einen fragenden Blick in die Runde. Mr Andrews hatte sich wieder über die Baupläne gebeugt, und Herr Bokisch bedeutete Richard mit einer knappen Handbewegung, dass er sich ruhig mit der Dame entfernen könne.
    Helena führte ihn zu einem exzellent verarbeiteten Steinway -Flügel. Das Instrument wies wunderbare, liebevoll geschnitzte Intarsien auf und Richard strich beeindruckt über das schimmernde Holz. Helena tat es ihm gleich, wobei sich ihre Hände kurz berührten. Der junge Mann zog seine augenblicklich zurück, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Aufregung sich mit einem kribbelnden Gefühl in seiner Magengegend bemerkbar machte. Ihm war der Umgang mit dem weiblichen Geschlecht entschieden zu fremd, und der betörende Duft ihres Parfums half ihm nicht gerade dabei, in ihrer Nähe gelassen zu bleiben. Verlegen räusperte er sich und schaute sehr bewusst an der blonden Schönheit vorbei zu den sich interessiert dem Flügel nähernden anderen Damen.
    Der Steinway -Flügel war nicht mit einer Welte-Vorrichtung ausgestattet, und so stellte es eine gewisse Herausforderung für Richard dar, zu erklären, wie der Einsatz der Notenrollen funktionierte. Dennoch lauschten die anwesenden Damen höflich seinen Ausführungen. Sie nickten gelegentlich und erweckten auf ihn zumindest den Eindruck, sehr interessiert zu sein und alles zu verstehen.
    Einige Zwischenfragen von Helena verdeutlichten ihm, dass sie die Funktion der Apparatur tatsächlich verstand, und als sie einem jungen Mädchen von vielleicht 16 Jahren beschrieb, wie sie sich die Aufnahmen auf die Papierstreifen vorstellte, betrachtete er die Frau mit noch stärkerem Interesse. Sie war offensichtlich nicht nur wunderschön, sondern auch intelligent, und ihre Stellung in dieser weitverzweigten, ausgesprochen erfolgreichen Familie machte sie für ihn doppelt attraktiv.
    „Spielen Sie denn auch selbst, Mr Martin?“, erkundigte sich Lord Pirries Schwester Eliza.
    „Ein wenig“, erwiderte er.
    „Können wir Sie dann vielleicht dazu überreden, uns eine Kostprobe Ihres Könnens zu geben?“ Helena sah ihn bittend an und legte ihre Handflächen aneinander, wobei die Spitzen ihrer Zeigefinger ihre vollen Lippen berührten.
    Richard ließ sich fast erleichtert auf den Klavierhocker sinken. Was geschah hier mit ihm? Allein dieses prächtige Gebäude und die adeligen Anwesenden, die ihn wie einen der Ihren behandelten, ließen ihm innerlich fast schon Flügel wachsen. Die offenkundige Aufmerksamkeit von Helena gab ihm noch den Aufwind dazu. Irgendwo in einem Winkel seines Gehirns wagte eine leise Stimme zu warnen, dass nach einem solchen Höhenflug der Absturz tief ausfallen könnte, doch er verdrängte sie das erste Mal seit Jahren energisch. Während er den Tastendeckel anhob, gestand er sich ein, dass diese junge Frau ihn vermutlich zu fast allem verleiten konnte, wenn sie ihn so ansah wie gerade jetzt.
    „Sie haben in Deutschland so hervorragende Komponisten, Mr Martin. Darf ich mir ein Stück von Beethoven wünschen?“, fragte eine andere Dame, deren Name ihm nicht mehr einfiel, da sie zu den Personen gehörte, die ihm nach Helena vorgestellt worden waren.
    Richard atmete innerlich auf. Er kannte nicht viele Musikstücke auswendig, doch einen der deutschen Tänze von Beethoven hatte er seiner Großmutter oft genug vorspielen müssen, sodass er unauslöschlich in seinem Gedächtnis verankert war. Seine Finger tanzten über die Tasten und entlockten dem wertvollen Instrument eine flotte Melodie. Während ein paar Diener den Frauen leise, aber flink Stühle brachten, blieb Helena an den Flügel gelehnt stehen. Richard gab sich alle Mühe, sie nicht zu beachten, da sie ihn durch ihre bloße Anwesenheit aus dem Konzept zu bringen drohte.
    Während er das Musikstück zum Besten gab, näherten sich dem Flügel auch ein paar männliche Zuhörer. Nachdem Richard seinen kleinen Vortrag beendet hatte, klatschte sein Publikum Beifall, und ein paar Damen nötigten Helena an den Flügel.
    Der Instrumentenbauer überließ der jungen Frau nur zu gern seinen Platz und sie spielte meisterhaft

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