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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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hinweg.
    „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Miss Andrews“, sagte er, doch seine Stimme klang zu seinem Missfallen etwas brüchig. Die Namen und Gesichter der Gäste, die ihm nun noch vorgestellt wurden, rauschten förmlich an ihm vorbei, und sein Gehirn weigerte sich standhaft, sie aufzunehmen.
    Herr Bokisch und Lord Pirrie gesellten sich zu der rauchenden Männergruppe, Richard jedoch drehte sich um und suchte den Raum nach Helena ab. Er fand sie, nicht weit von ihm entfernt, und sie schenkte ihm tatsächlich ein Lächeln. Fassungslos über ihre Schönheit und die Tatsache, dass sie ihn mit ihrer Aufmerksamkeit bedachte, lächelte er zurück und überlegte fieberhaft, mit welchem Gesprächsthema er die bezaubernde junge Dame in eine Unterhaltung verwickeln könnte. Er war die Gesellschaft von Frauen nicht gewohnt und fühlte sich daher mehr als unbeholfen.
    Bisher hatte er sich nie sehr für das weibliche Geschlecht interessiert. Das war einer der Punkte, die er in seiner Lebensplanung auf später verschoben hatte, wenn erst einmal seine Karriere so weit fortgeschritten war, dass er der Dame seines Herzens einen sicheren, angenehmen Lebensstandard bieten konnte. Die Faszination, die Helenas Schönheit nun so plötzlich auf ihn ausübte, überraschte und verwirrte ihn.
    Richard zog die Stirn in Falten und suchte weiterhin angestrengt nach einem Einstiegsthema für eine Unterhaltung mit ihr. Leider machte Herr Bokisch ihm einen Strich durch die Rechnung.
    „Kommen Sie, Herr Martin?“, sprach er ihn an. „Lord Pirrie und Mr Andrews wollen uns die Baupläne der Titanic zeigen. Mein Englisch reicht für einfachere Konversation zwar aus, aber für eine Fachsimpelei werde ich wohl Ihre Hilfe benötigen.“
    Richard war schon versucht, Herrn Bokisch zu sagen, dass er bei Fachbegriffen aus der Seefahrt ebenfalls passen musste, doch das wäre nicht ganz ehrlich gewesen. Außerdem fiel ihm ohnehin kein Thema ein, womit er die bezaubernde junge Frau hätte fesseln können. Daher folgte er widerwillig seinem Vorgesetzten zu einem großen Kirschholztisch, auf dem Mr Andrews gerade die Pläne ausrollte.
    „Wussten Sie, dass die Titanic noch größer ist als die Olympic , Herr Martin? Sie ist das größte Schiff der Welt!“
    Aus Herrn Bokischs Stimme sprach die Faszination eines Tüftlers und Erfinders. „Man sagt, sie sei unsinkbar. Herr Andrews möchte mir das Prinzip der Schotten erklären, die automatisch von der Brücke aus geschlossen werden können, für den Fall, dass es einmal einen Wassereinbruch geben sollte.“
    Richard wagte einen kurzen Seitenblick zu den Damen hinüber. Helena blickte ihm ungeniert nach, und ihr Gesichtsausdruck wirkte beinahe eine Spur beleidigt, was ihrer Schönheit jedoch keinen Abbruch tat. Richard lächelte, und sie erwiderte sein Lächeln, wobei ihre kleinen, sehr weißen Zähne sich von den roten Lippen deutlich abhoben.

    Richard benötigte seine ganze Konzentration, um die Informationen von Mr Andrews über die Titanic für seinen Arbeitgeber zu übersetzen. Einzelne Details beeindruckten die Instrumentenbauer sehr, unter anderem das mit 17,75 Tonnen enorme Gewicht des Bugankers, für dessen Transport zum Werk 20 Pferde vor einen Karren gespannt werden mussten. Mr Andrews berichtete, dass drei massive Turbinenwellen die Schrauben am Heck des Schiffes mit den Maschinen verbanden. Zwei trieben die Außenschrauben an, die jeweils drei Bronzeflügel hatten. Die mittlere Schraube war vierflügelig und nur f ür den Vortrieb gedacht. 29 Kessel, die pro Tag 660 Tonnen Kohle verschlingen würden, sorgten mit 159 Brennöfen für Dampf. Die maximale Leistung der Titanic wü rde bei 50.000 PS liegen, was eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 23 Knoten ermöglichte. Richard schwirrte bald der Kopf vor lauter Zahlen und Fachbegriffen.
    Herr Bokisch interessierte sich vor allem für die Schotten, die das Schiff in 16 Kompartimente unterteilten. Im Falle eines Wassereinbruches konnte das Schiff selbst dann noch schwimmen, wenn sich zwei große Kompartimente oder vier der kleineren füllten.
    „Aufgrund dieser Schotten und des doppelwandigen Bugs wage ich zu behaupten, dass das Schiff praktisch unsinkbar ist“, beendete Mr Andrews seinen Vortrag. Aus seinen Gesichtszügen sprach der Stolz eines Vaters, der einem interessierten Publikum seinen erstgeborenen Sohn präsentiert.
    Das Gespräch wandte sich nun der luxuriösen Ausstattung der Olympic und eines dritten geplanten Schwesterschiffs zu,

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