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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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Stern in einer dunklen Nacht sei. Nun war sie wieder zu Hause und sah erneut die Not und das Elend der Familien, deren Männer in den Werften hart schufteten. Sie erbauten die Schiffe, die ihre zumeist deutlich besser begüterten Passagiere mit Luxus umgaben, wenn sie vom Kontinent hinüber in die Neue Welt schipperten. Sie selbst jedoch brachten kaum genug Geld nach Hause, um ihren Familien geregelte Mahlzeiten und ein warmes Dach über dem Kopf, geschweige denn zusätzliche Ausgaben für Medikamente oder die Schulbildung der Kinder zu ermöglichen. Norah hatte diesen Missstand sehr früh erkannt und beschlossen, weder darüber zu klagen noch deshalb bitter zu werden. Sie wollte ihre Kraft und Zeit dafür einsetzen, das Leben dieser Menschen durch kleine Hilfsdienste oder einfach nur durch ihre Anwesenheit und ein paar liebe, aufmunternde Worte ein bisschen zu verbessern. Was sie tun konnte, war nicht viel, doch es kam dem fahlen Lichtschein eines einzelnen Sterns am nachtschwarzen Horizont gleich, der das Auge und die Seele erfreute.
    Norah erhob sich schließlich von der unbequemen Bettkante, zog das Leintuch wieder glatt und erklärte: „Man muss mich doch nicht zwingen, meine Freunde zu besuchen, Ella!“
    „Das wissen wir, aber trotzdem finden wir die Vereinbarung lustig.“
    „Also gut. Bis morgen dann, Ella.“ Zum Abschied winkte Norah ihrer Freundin zu, duckte sich unter dem niedrigen Türrahmen hindurch und betrat wieder die Küche. Dort hatte der achtjährige Sean im Ofen ein Feuer entfacht und das Knacken und Prasseln des feuchten Holzes erfüllte den winzigen Raum.
    „Sean macht Suppe“, verkündete Katie, und unüberhörbarer Stolz schwang in ihrer Stimme mit. Das Mädchen liebte und bewunderte den älteren Bruder grenzenlos, der auf Katies Auskunft hin zu Norah hinübergrinste und unbeeindruckt weiter in dem verbeulten Metalltopf rührte.
    Norah trat hinter ihn und legte ihm beide Hände auf die schmalen Schultern. „Das riecht herrlich!“
    „Möchtest du mitessen?“
    „Ich muss weiter. Danke, Sean. Ich habe deine Mutter schon gefragt, ob ihr etwas braucht …“
    „Und sie hat Nein gesagt?“
    „Wie immer.“
    „Wir haben keine Kartoffeln mehr, Norah. Und für das Baby nichts zum Anziehen.“
    Norah sah sich um, obwohl ihr der Anblick dieses Zimmers nur zu vertraut war. Die Holzbalken in dem windschiefen Haus waren schwarz vom Ruß der Lampen und des Feuers, und obwohl Sean dafür gesorgt hatte, dass die Tür gut schloss und die Fenster intakt waren, war es in dem kleinen Häuschen unangenehm klamm.
    Sie küsste den Jungen auf den roten Haarschopf, der nach Feuchtigkeit und Ruß roch, winkte Katie noch einmal zu und verließ das Haus. Dunkelheit und Kälte empfingen sie draußen. Der Mond hatte sich hinter ein paar Wolken versteckt, und nur ein verschwommener heller Fleck hinter der dunklen Wolkenwand zeigte, wo er sich befand.
    Norah schloss fröstelnd ihre Jacke, bevor sie weiter die Gasse entlangeilte. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit, die nahezu zäh zwischen den Gebäuden hing, klebte ihr bereits nach wenigen Minuten die Kleidung am Leib, und ihre Haare ringelten sich wild um ihr Gesicht.
    Schon bald hatte sie das Haus weiterer Freunde erreicht und auch dort klopfte sie fest an die Tür. Die schwang von allein nach innen auf, und neugierig schob Norah den Kopf in den dadurch entstandenen Spalt.
    Lautes Stimmengewirr schlug ihr entgegen. Sie machte die Stimmen des Ehepaars Mia und Ben Kerry aus, zudem schienen auch Catherine und deren Verlobter Daniel anwesend zu sein.
    „Darf man stören?“, rief sie laut und mit einem breiten Grinsen gegen den Lärmpegel an.
    Augenblicklich kehrte verblüffte Stille ein.
    Es war Chloe, die zuerst reagierte. Mit ihrer krä ftigen Stimme rief sie laut: „Man nicht, aber Norah Casey schon. Komm schnell rein!“
    In dem Augenblick, als Norah einen Fuß über die Schwelle setzte, riss Chloe sie in die Arme und drückte sie gegen ihren massigen Körper. „Na? Zurück vom Luxusschiff?“
    „Welch eine Wohltat“, spottete Norah und erwiderte die Umarmung der fröhlichen Frau.
    Kaum hatten sich die beiden voneinander gelöst, wurde Norah von Catherine und ihrem Verlobten Daniel freudestrahlend begrüßt und von dem befreundeten Ehepaar Kerry gleichzeitig umarmt. Der Geräuschpegel hob sich zu einem ohrenbetäubenden Lärm, da sämtliche Freunde gleichzeitig auf die Besucherin einsprachen.
    Norah genoss den Trubel. Hier im Kreis ihrer Freunde fühlte sie

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