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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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dieser Gasse stank erbärmlich und ließ Norah das Gesicht verziehen. Ob man jemals gegen den Schmutz und den Gestank im Hafenviertel angehen würde? Das würde die Lebensqualität in den engen Gassen erheblich erhöhen.
    Norah hob ihren Rock ein wenig an. „Ich möchte noch zu den Mellows-Schwestern. Denkst du, sie sind noch auf, Mia?“
    „Ach, Norah …“ Bekümmert sah Mia sie an.
    Eine diffuse Vorahnung stieg in Norah auf. Sie ballte die Hände zu Fäusten und zog die Augenbrauen hoch. Kalte Furcht ergriff ihr Herz. Susan Mellows hatte schon vor Monaten ihre Arbeit verloren und ihre Schwester Leah hatte sie irgendwie mit durchgebracht. Doch jetzt … etwas Schreckliches musste ihnen zugestoßen sein.
    „Leah war sehr krank, Norah. Eine Zeit lang wussten wir nicht einmal, ob sie überleben würde. Jetzt geht es ihr wieder besser, aber sie hat ihre Arbeitsstelle verloren und seither keine neue mehr gefunden.“
    Norah schwieg erschüttert. Den beiden Mellows-Schwestern war es finanziell ebenso schlecht ergangen wie fast all den Menschen hier, doch im Gegensatz zu den anderen Familien gehörte ihnen nicht einmal das alte, verkommene Haus, in dem sie wohnten.
    „Sie konnten die Miete nicht mehr aufbringen. Der Hauseigentümer hat sie auf die Straße gesetzt. Obwohl das Haus jetzt immer noch leer steht. Eine Zeit lang hat Leah bei uns gewohnt und Susan bei Chloe.“
    „Und jetzt?“
    „Susan verkündete eines Tages, sie habe wieder eine Arbeit. Ein paar Tage später waren beide verschwunden.“
    „Ohne eine Adresse zu hinterlassen?“, rief Norah aufgeregt.
    Mia zuckte mit den Schultern und zog Norah in ihre Arme. An ihrem Ohr flüsterte sie: „Man erzählt sich, Leah wurde in einem der berüchtigten Häuser auf dem Queen’s Square gesehen.“
    „Nein!“, stieß Norah aus und wehrte sich heftig gegen Mias Umarmung, die sich inzwischen eher wie eine Umklammerung anfühlte.
    Doch Mia ließ sie nicht los.
    „Hör mir zu, Sternchen. Ich möchte nicht, dass du dort hingehst und nach den beiden suchst. Sie sind erwachsen und wissen, was sie tun.“
    „Genau wie ich, Mia.“
    „Hast du vergessen, was für einen Ärger du dir eingehandelt hast, als du vor einem Jahr dort warst, um die kleine Amy aus einem der Bordelle zu entführen? Ich möchte dich nicht erneut in Gefahr wissen. Susan und Leah haben diesen Schritt freiwillig getan.“
    „Da täuschst du dich, Mia. Sie waren dazu gezwungen, weil sie keine andere Möglichkeit zum Überleben mehr sahen. Freiwillig tut das wohl keine Frau!“
    Mia ließ sie endlich los, und ihr besorgter Blick ruhte auf der deutlich jüngeren Freundin.
    „Bitte, Norah, leg dich nicht schon wieder mit einem dieser Bordellbesitzer an. Bete für die beiden Mädchen. Mehr kannst du nicht tun.“
    „Gute Nacht, Mia. Grüße die Jungs von mir.“ Mit diesen Worten wandte sich Norah um und stieg über einen vermodernden Holzeimer hinweg in die Mitte der Gasse, wo der Boden zumindest etwas trockener war. Sie drehte sich nicht um, obwohl sie ahnte, dass die beunruhigte Mia noch immer im Türrahmen stand und ihr nachsah.

Kapitel 11
    Richard Martin und Karl Bokisch waren von Lord Pirrie, der selbst in London geblieben war, in einem der großzügigen Gästehäuser von Ormiston House in Belfast untergebracht worden. Dorthin wurden auch die beschädigten Kisten mit den Klavieren und Flügeln gebracht. Gemeinsam machten sich die beiden Männer an die Reparatur und Teil-Neuanfertigung der beschädigten Instrumente.
    Gegen Abend des dritten Tages verließ Richard den Schuppen, in dem er gearbeitet hatte, und schlenderte in Richtung des aus braunem Stein erbauten, mit Erkern und Türmchen geschmück-ten Hauses. Dieser Stadtteil Belfasts strotzte nur so von großen, eleganten Häusern – herrschaftlichen Anwesen in schön angelegten Parks.
    Der junge Mann überlegte gerade, ob er sich für einen Spaziergang durch diese noble Gegend etwas besser kleiden sollte, als eine Frauenstimme seinen Namen rief. Er drehte sich um die eigene Achse, konnte aber niemanden sehen. Ob Helena von London nach Belfast gekommen war? Richard verdrängte diesen unsinnigen Gedanken sofort, immerhin hatte die junge Dame keinerlei Veranlassung für eine Reise nach Irland.
    „Richard Martin! Hier drüben am Tor!“, hörte er es erneut rufen, und so wandte er sich dem Gittertor am Eingang der Auffahrt bei der Belmont Road zu. Tatsächlich stand dort ein Mädchen und winkte aufgeregt mit beiden Armen.
    Da er in Belfast

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