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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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anderen Richard in dem etwas verknöchert wirkenden Instrumentenbauer vermutet und heute auch gefunden. Allerdings war der Mann erwachsen und musste seinen eigenen Weg gehen – mit all seinen Höhen und Tiefen. Sie mochte ihn vielleicht ein kleines Stück aus dem unergründlich dunklen Teich seines festgefahrenen Denkens herausgezogen haben, doch offenbar galt sein Interesse nun eher Helena und ihrem Weg, das Leben zu gestalten. Norah würde darin wohl letztendlich keine Rolle mehr spielen. Der Gedanke brannte noch immer in ihr und so schob sie ihn energisch von sich. Jetzt war erst einmal ihre Tatkraft gefordert.
    Norah sah zu Adam hinüber, der Helenas Worte mit einem knappen Schulterzucken quittierte.
    „Ich habe ohnehin noch etwas zu erledigen“, verkündete sie und öffnete die Eingangstür. Sie sollte sich sofort auf die Suche nach Leah begeben. Vielleicht wusste sie, wer Susan das angetan hatte. Außerdem musste Leah dringend aus dem Etablissement verschwinden, bevor ihr Ähnliches widerfuhr wie ihrer Schwester. „Bis morgen Abend dann, Richard.“
    Kühle Luft schlug Norah entgegen, und unwillkürlich rieb sie sich mit den Händen über ihre Oberarme. Sie hatte den geliehenen Mantel von Ben Kerry im Gästehaus vergessen, konnte jetzt aber unmöglich noch einmal hineingehen.
    „Mr Martin hat morgen Abend eine Verabredung“, erklärte Helena, die mit Richard das Gästehaus verließ.
    Norah warf Richard einen fragenden Blick zu. Er wirkte überrascht, als sei ihm dieser Termin bislang nicht bekannt gewesen. Seine hilflose Verlegenheit über die Situation rührte Norah. „Danke für deine Hilfe“, flüsterte sie ihm zu und wandte sich in Richtung Tor. Zögernd ging sie den Weg hinunter, und nachdem auch Adam sich verabschiedet hatte, kam er ihr mit schnellen Schritten nachgeeilt. Als Norah sich noch einmal umdrehte, sah sie, wie Richard und Helena nebeneinander auf das inzwischen hell erleuchtete Herrenhaus zustrebten. Helena sprach dabei so laut auf ihren Begleiter ein, dass Norah jedes Wort verstehen konnte.
    „Ich werde Ihnen und Mr Bokisch ein anderes Gästehaus zuweisen lassen, Mr Martin. Warten wir doch, bis Dr. Barkley seine Behandlung abgeschlossen hat, im Foyer bei einer guten Tasse Tee. In dieser Zeit können Sie mir berichten, wie es zu Ihrer Verletzung kam und wo Sie das arme Mädchen gefunden haben. Stehen Ihre Verletzung und das Auffinden des Mädchens miteinander in Verbindung? Weshalb wurde das bemitleidenswerte Ding nicht in ein Hospital gebracht?“
    Norah bedauerte Richard aufrichtig, der über Susan ja noch immer nicht mehr wusste als zuvor. Wie sollte er erklären, was es mit der Verletzten auf sich hatte, zumal er in Helenas Gegenwart wieder ganz in seine steife, vornehme Art zurückverfallen war?
    Adam gesellte sich zu Norah und blickte den beiden ebenfalls nach. „Schau sie dir an“, spottete er gutmütig.
    Norah wusste sofort, worauf ihr älterer Bruder anspielte: Helena schwebte förmlich dahin in ihrem teuren, im Mondlicht schimmernden Organzakleid. Ihre Haare waren trotz der späten Stunde kunstvoll aufgetürmt, und die mit Edelsteinen besetzten Haarkämme glitzerten bis zu ihnen herüber. Richard wirkte hingegen reichlich unsicher und hatte seine Arme hinter dem Rücken verschränkt. Er steckte noch immer in der verschmutzten Kleidung, in der er zuvor drei Stunden lang auf dem ausgelassenen, spontanen Straßenfest Akkordeon gespielt und dann Susan hierher getragen hatte. Seine dunklen Haare lockten sich wirr um seinen Kopf und an seinen Schuhen klebte der dunkle Schlamm aus den Hafengassen.
    Adam griff mit der rechten Hand nach der schmiedeeisernen Torklinke. „Vielleicht ist die schöne Helena ja gar nicht so übel. Immerhin hat sie den Arzt holen lassen und Susan darf im Gästehaus bleiben. Und es macht ihr anscheinend nichts aus, dass Rick ein einfacher Instrumentenbauer ist – und im Moment ganz sicher nicht wie ein Gentleman aussieht, der zum Tee kommt.“
    Norah enthielt Adam eine Antwort vor, musste ihm aber insgeheim zustimmen. Helena hätte Susan immerhin einfach aus dem Haus werfen können. Außerdem waren Menschen nicht immer so, wie sie im ersten Moment schienen – dafür war auch Richard ein lebender Beweis.
    Norah wandte sich nach links, wurde aber von Adams kräftiger Hand auf ihrem Arm energisch zurückgehalten.
    „Wo willst du denn hin?“, fragte er.
    „Zum Queen’s Square. Ich muss Leah finden.“

Kapitel 15
    Karl Bokisch wanderte unruhig in der

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