Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
dieselbe Erregung wie zu Anfang spüren, wenn ihr Finger den Abzug berührte. Während ihre Finger noch auf der Pistole ruhten, betrachtete sie immer angewiderter, wie Donna Anna und Don Ottavio Trockenschwimmübungen auf der Bühne vollführten. Sie spielte mit dem Gedanken, mit ihrer Waffe zwei gezielte Schüsse abzugeben, um dem Elend ein Ende zu bereiten. Der Mord, den der Regisseur an dieser Mozart-Oper begangen hatte, war doch wohl schlimmer als ein Gnadenschuss mit den besten kulturellen Absichten?
Morde in der Stockholmer Oper hatte es schließlich schon früher gegeben. Gustav III . war dem Tod im alten Opernhaus begegnet. Es war ausgesprochen unvernünftig, mit einer Pistole in der Handtasche in die Oper zu gehen. Kein Wunder, dass die Tasche schwer war. Ihr Make-up-Necessaire hatte keinen Platz mehr gehabt. Sie bewahrte ihre Sig Sauer sonst immer in ihrer kleinen Chanel-Tasche mit dem Karomuster und dem Goldkettchen auf. Eingeschlossen in der dritten Schublade ihrer Kommode im Schlafzimmer. Kurz bevor sie gegangen war, hatte sie jedoch vor dem Spiegel gestanden und sich nicht zwischen den beiden Handtaschen entscheiden können. Sie hatte den Inhalt hin- und hergeräumt, ohne zu merken, wie rasch die Zeit vergangen war. Als sie die große Standuhr im Wohnzimmer fünfmal schlagen hörte, sah sie ein, dass sie sich zu ihrer Verabredung mit den Freundinnen vor dem Entree der Oper verspäten würde. In ihrer Eile hatte sie dann die Chanel-Tasche in der Kommode eingeschlossen und die falsche Handtasche, die Gucci-Tasche, in die sie versehentlich die Pistole gelegt hatte, mitgenommen.
Das Handy vibrierte erneut. Sie zog es heraus und las diskret die beiden SMS . Die erste war von ihrem Chef: Er forderte ihre sofortige Anwesenheit im Büro. Die zweite war von Magnus Skoglund, dem Kollegen, der eigentlich Dienst hatte. »Sorry, Ebba! Ich habe unsere Bereitschaftsdienste durcheinandergebracht. Ich sitze im Gyldene Freden und habe drei Pils getrunken. Kannst du meinen Dienst übernehmen? Vielen, vielen Dank! Magnus.«
Der Teufel soll Magnus und sein Pils holen, dachte Ebba und machte ihre Tasche zu. Diesen gemeinsamen Abend mit ihren drei engsten Freundinnen hatte sie lange geplant. Sie hatten einen Tisch im Operakällaren reserviert, um nach der Premiere ordentlich zu tafeln. Magnus Skoglund hatte vor drei Wochen den Dienst mit ihr getauscht. Sie hatte einen seiner Dienste übernommen, weil er an jenem Wochenende angeln gehen wollte. Dass er seinen Dienstplan nicht im Kopf hatte! Nein, sie würde ihre Gänseleberterrine mit Rhabarberkompott nicht opfern, nur damit ihr Kollege, der noch grün hinter den Ohren war, weiter Bier trinken konnte. Rasch schrieb sie Magnus eine giftige SMS und antwortete dann Karl-Axel Nordfeldt, sie sei in der Oper bei einer Premiere und habe leider keine Zeit.
Der Vorhang fiel und wurde unter verzücktem Applaus des Publikums wieder geöffnet. Die Vorstellung war vorüber. Als sie gerade aufstehen und Programm und Handy in der Tasche verstauen wollte, ging die Tasche auf. Sie sah zu ihrem Entsetzen, wie die Pistole herausrutschte und zwischen den Stühlen den geneigten Parkettboden entlangschlitterte. Rasch stieß sie Marianne beiseite, die neben ihr stand, und kletterte über eine Stuhlreihe nach der anderen. Die Pistole funkelte zwischen allen Füßen, die den Ausgängen zustrebten, auf dem Fußboden. Ab und zu stieß jemand dagegen, und sie änderte ihre Richtung. Ebba hatte sie die ganze Zeit im Blick, drängte sich gegen den Strom, sprang hin und her und tauchte schließlich ab, um die Waffe aufzuheben. Sie hatte sich gerade hingehockt und streckte die Hand nach der Pistole aus, als eine ältere Dame mit ihrem Pumps darauftrat. Ebba schaute zu ihr hoch.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie mit bescheidener Miene, so als wolle sie nicht unnötig stören, »aber ich glaube, Sie stehen auf einem Gegenstand, der mir gehört.«
Die Dame schaute nach unten und erstarrte vor Entsetzen, als sie die Pistole sah. Sie war wie gelähmt und konnte ihren Fuß nicht bewegen. Ebba bewegte ihre Hände auf ihren Schuh zu und wedelte vorsichtig mit ihnen. Sie wusste nicht recht, wie sie der älteren Dame in dieser prekären Situation auf die Sprünge helfen sollte.
»W enn Sie Ihren Fuß ganz leicht anheben könnten, vielen Dank … « Die ältere Dame war aber vor Entsetzen vollkommen gelähmt. Ebba schob zwei Finger unter den Absatz und hob den Schuh an. »Na also. Vielen Dank.« Sie schnappte
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