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Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Titel: Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Bartosch Edström
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aber nicht, ob er sich das nur einbildete oder ob es das Flüstern des Windes war. In einem Zimmer im Untergeschoss bewegte sich jemand. Dann wurde das Licht gelöscht.
    Der Sturm hatte sich beruhigt. Jetzt rauschten die hohen Kiefern nur noch schwach im Wind. Das zarte Rascheln des Birkenlaubs klang hohl. Leise Geräusche waren in der Dunkelheit besser zu hören, die Leine des Fahnenmastes bei der Fliederlaube schlug unregelmäßig. Die Vertäuung der Boote quietschte, Wellen plätscherten. Als er Richtung Bootssteg schaute, bewegte sich dort etwas. Er hielt den Atem an und lauschte auf weitere Geräusche, hörte aber nichts. Trotzdem hatte er das seltsame Gefühl, beobachtet zu werden. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er in die dunkle Landschaft. Dann rief er mehrere Male ihren Namen: »Caroline!« Niemand antwortete.
    Raoul kehrte wieder in das Atelier zurück und schloss die Tür. Sein Bordcase und sein Geigenkasten standen ordentlich nebeneinander. Als würde er gleich verreisen. Alles Nötige fand dort Platz. Er rief sich den Bericht seines Vaters darüber, wie er mit einem alten Lederkoffer und einem Geigenkasten als einzigem Gepäck auf dem Sammelplatz gestanden hatte, in Erinnerung. Es war der Antritt einer höchst unfreiwilligen Reise gewesen. Seine Eltern und Geschwister hatte er nie mehr wiedergesehen. Mit einem Gefühl der Rührung legte Raoul den Geigenkasten auf den Tisch, öffnete den Deckel und nahm seine Nachtigall heraus. Dann begann er ein Stück zu spielen, das er schon als Kind gespielt hatte. Die schon recht abgegriffenen Noten hatte ihm sein Vater nach seiner Bar-Mizwa feierlich überreicht. Ein einfaches Solostück, ein Kaddisch von Gideon Klein, früh an einem Septembermorgen des Jahres 1944 rasch auf einen Zettel abgeschrieben und von seinem guten Freund Leonard Liebeskind für den Fall, dass er den Krieg nicht überleben würde, unter einem Dielenbrett des Schlafsaales in Theresienstadt aufbewahrt.
    Die Melodie war wunderschön, dieses traurige, vertonte Gebet bar jeder Virtuosität, jeder Eitelkeit, die ein gut aussehender junger Mann, der viel zu früh sterben sollte, einmal niedergeschrieben hatte.
    Tief versunken in die meditative Musik merkte Raoul zuerst nicht, dass sich Schritte näherten. Aber als sie auf der Holztreppe zum Atelier widerhallten und in sein Geigenspiel eindrangen, fuhr er so heftig zusammen, dass ihm fast sein Instrument aus der Hand gefallen wäre. Es klopfte und eine unvernünftige Angst packte ihn. Als er die Tür öffnete, atmete er auf.
    »Ach so, du bist das.«

Zweiter Akt
    Questo è il fin di chi fa mal!
    Also stirbt, wer Böses tat!
    Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo da Ponte, Don Giovanni, Finale

E bba schloss die Augen und genoss die Musik. Sie saßen auf ausgezeichneten Plätzen im Parkett, aber das mangelnde schauspielerische Talent der Sängerinnen und Sänger störte sie sehr. Wie hätte aber auch jemand in einer Mozart-Aufführung überzeugen sollen, bei der das Geschehen in ein Hotel für Pauschalreisende in Mallorca in den 60er-Jahren verlegt worden war? Sie sangen gut, fantastisch sogar, und die Hofkapelle klang unter der Leitung ihres jungen Dirigenten frisch und energisch. Aber eine kurz vor der Pensionierung stehende Donna Anna und ein Masetto, der so unförmig war, dass er seine Zerlina nicht einmal mit ausgestreckten Armen umarmen konnte, waren dann doch eine Zumutung. Dass sie dazu auch noch in bunter Badekleidung herumrennen mussten, konnte ihr Selbstbewusstsein auf der Bühne auch nicht erhöhen. Wie absurd die Oper als Kunstform auch sein mochte, waren der Fähigkeit der Fantasie, zu ergänzen, was für die Glaubwürdigkeit nötig war, doch Grenzen gesetzt. Der Komtur war in dieser Hinsicht eine dankbare Rolle, denn er brauchte nur tot auszusehen.
    Es vibrierte in ihrer Handtasche. Ebba öffnete sie vorsichtig, um ihr Handy herauszunehmen. Als sie in ihre Tasche fasste, spürte sie etwas Kaltes und schloss die Tasche sofort wieder über ihrem Handgelenk. Ein rascher Blick nach rechts und links: Marianne, Charlotte und Eva hatten nicht bemerkt, dass eine Waffe in ihrer perlenbestickten Gucci-Handtasche lag. Sie folgten hingebungsvoll den Ereignissen auf der Bühne. Langsam ließ sie die Fingerspitzen über die Pistole gleiten und spürte, wo der Lauf in den geriffelten Griff überging. So sensuell und so wahnsinnig verboten. Ihre Pistole war ein Gegenstand, den sie im Laufe der Jahre lieb gewonnen hatte. Sie konnte immer noch

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