Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
auffordernd an, verließ den Salon und begab sich in ihr provisorisches Büro.
Jan folgte Ebba und gab ihr noch einmal die Hand, dann nahm er vor dem Schreibtisch Platz. Das gutmütige Gesicht lag in betrübten Falten, und ihm war anzusehen, dass er die Befragung so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.
»Das geht so nicht«, begann er ernst. »W ir werden auf dieser Insel als Geiseln festgehalten, weil ein Mann tot ist. Ich kann wirklich nicht begreifen, wieso es sich um einen Mord handeln sollte. Oder einen Selbstmord. Das wirkt zu drastisch und unwahrscheinlich.«
Ebba verschränkte die Arme. »Sie glauben also nicht, dass es ein Mord war?«
Er schüttelte den Kopf. »W arum sollte jemand Raoul ermorden wollen? Das verstehe ich nicht. Wenn man jemanden umbringt, dann doch wohl nur, weil man den Gedanken nicht erträgt, dass dieser Mensch lebt. Verrückte, Psychopathen und rachsüchtige Opfer tun so etwas. Und womit haben wir es hier zu tun? Ein Streichquartett will eine CD aufnehmen und benötigt jemanden, der einspringt. Dieser macht sich die Mühe, aus New York anzureisen, um seinen alten Freunden aus einer Verlegenheit zu helfen.«
»W oher kannten Sie Raoul?«
»Über Louise, unter anderem. Hauptsächlich würde ich sagen. Ich habe ihn auch als Solist mit den Wiener Philharmonikern und den Bamberger Symphonikern aufgenommen. Fantastischer Violinist. Sehr innovativ als Musiker.«
»Kannten Sie ihn näher?«
»Nein, das kann man nicht sagen. Natürlich grüßten wir uns und sprachen über die Arbeit und das Wetter. Hier auf Svalskär haben wir ein paarmal Kammermusik aufgenommen. Klavier und Geige und Werke für zwei Geigen zusammen mit Louise. Aber privat pflegten wir keinen Umgang.«
»Haben Sie eine Idee, wie es zu dem Todesfall gekommen sein könnte?«
»Nein … wir redigierten die Aufnahmen, als es passierte. Vermute ich jedenfalls … ich meine, ich weiß nicht genau, wann er starb. Das Redigieren dauerte den ganzen Nachmittag und Abend.«
»Hat Ihnen jemand dabei geholfen?«
»Kjell natürlich. Und Louise.«
»W ar sie mit dem Material zufrieden?«
Jan nickte. »Ja. Sie stellte sofort fest, dass wir alles Nötige beisammen hatten und keine weiteren Aufnahmen brauchten. Kleinigkeiten lassen sich anschließend beim Abmischen beseitigen. Wir versuchten, so viel wie möglich zu erledigen. Die Arbeit war ja ohnehin im Verzug, da wir später als geplant nach Svalskär gekommen waren. Wir wollten alles erledigen, um heute nach Hause fahren zu können. Ich habe am Dienstag in Ystad die nächste Aufnahme. Es wäre mir recht, wenn ich vorher noch zu Hause bei meiner Frau vorbeischauen könnte.«
»W ir tun unser Bestes. Das habe ich ja bereits erklärt.« Ebba musste sich sehr zusammennehmen, um ihn nicht anzuschnauzen. Ständig musste sie die Ungeduld der Beteiligten mit Fingerspitzengefühl und Autorität tarieren. Sie musste ihnen Informationen entlocken, mal mit Strenge, mal mit Feingefühl.
Ebba setzte sich auf die Schreibtischkante.
»Lassen Sie mich direkt zur Sache kommen: Wie erlebten Sie die Spannungen innerhalb des Quartetts?«
Jan strich sich nachdenklich über seine Bartstoppeln und sagte dann: »Schwer zu sagen, ich kenne ja nicht alle so gut. Aber ich meine … vier Frauen und ein Mann allein auf einer Insel … Das merkten wir direkt, als wir kamen, dass eine sehr stark erotische Spannung zwischen Raoul und Caroline bestand. Das hatte Auswirkungen auf das gesamte Ensemble. Ich hatte das Gefühl, dass sich so einiges angestaut hatte, als wir hier eintrafen. Türen wurden zugeknallt, es wurde gebrüllt, Kaffeetassen wurden an die Wand geschleudert. Das zeigte sich auch beim Spiel. Gezittere und ungleichmäßige Bogenstriche, Probleme bei der Intonation. Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass die Aufnahme dann doch so gut geworden ist. Das ist wohl hauptsächlich Raoul zu verdanken. Er war ein einzigartiger Kammermusiker und konnte auch unter Druck das Beste aus seinen Kollegen herauslocken.«
»Sie meinen also, die Beziehung zwischen Caroline und Raoul störte die Arbeitsruhe?«
»V ermutlich. Aber am schlimmsten war es mit Peder.«
Ebba stutzte.
»Peder?«
»Peder … ja, wie heißt er noch gleich, Armstahl, wie Louise. Sie sind Cousin und Cousine. Ich bin ihm schon einmal hier auf Svalskär begegnet. Etwas herablassend und so, aber im Grunde genommen ein ganz netter Bursche. Aber dieses Mal war er nervös und aufgebracht. Raoul und er konnten sich nicht ausstehen,
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