Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Musikhochschule beendet und besuchte Louise und Anna in New York. Sie wohnten ja alle in einer kleinen Wohnung. Wie Sie sicher wissen, war Anna eine kürzere Zeit mit Raoul verlobt. Aber erst als sie die Verlobung aufgelöst hatte, leiteten Raoul und ich unsere Beziehung ein.«
Sie erzählte sachlich und ohne Sentimentalität. War sie doch vorbereitet gewesen? Schirmte sie die Einsicht, mit der sie sich eben konfrontiert gesehen hatte, mithilfe eines vorbereiteten Berichtes ab? Ebba fuhr sich mit dem Zeigefinger übers Kinn und dachte nach.
»W ie entwickelte sich Ihre Beziehung?«
»Sie entwickelte sich in gewisser Weise überhaupt nicht. Wir waren nie offiziell ein Paar.«
»W arum haben Sie das bislang nicht erwähnt?«
»W eil es vollkommen bedeutungslos ist.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich vermute, dass Caroline Ihnen davon erzählt hat.«
Ebba überlegte, ob sie ihr mithilfe von Caroline weitere Informationen abringen sollte. In diesem Fall konnte sich eine Konfrontation als vorteilhaft erweisen. Die Rivalität der Schwestern schien bedeutungsvoller zu sein, als die beiden zugeben wollten.
»Es empörte Ihre Schwester sehr, dass Sie Sex mit dem Mann hatten, den sie heiraten wollte.«
Die Reaktion wäre für jemanden, der sie nicht erwartet hatte, kaum wahrnehmbar gewesen. Die Haut um die Augen spannte sich etwas, die Schatten ihres Gesichts vertieften sich, sie sagte jedoch nichts.
»W enn ich mich recht entsinne, haben Sie die Beziehung Raouls zu Ihrer Schwester als Flirt abgetan. Aber Caroline sprach von großer Liebe, Heirat und Familiengründung. Diese unterschiedlichen Perspektiven erstaunen mich etwas.«
Helena überlegte eine Weile, ehe sie antwortete. »W as soll ich sagen? Sie haben es ja aus erster Hand, dann gibt es darüber nichts weiter zu sagen. Nur Caroline weiß, was sich zwischen ihnen abgespielt hat.«
»W usste jemand aus dem Quartett von Ihrer Affäre mit Raoul?«
»Ich habe nie jemandem davon erzählt. Ich glaube auch nicht, dass Louise etwas weiß. Wenn ja, dann hat sie jedenfalls nie etwas zu mir gesagt. Anna … hat Dinge registriert, die sie nicht begriffen hat.«
»Haben Sie sich auf Raoul verlassen?«
»Das ist eine seltsame Frage. In welcher Hinsicht?«
»W ar er jemand, dem Sie vertrauten?«
Helena trank den letzten Schluck Whisky und stellte das Glas auf den Schreibtisch. Es hinterließ einen Abdruck, ohne dass sie etwas dagegen unternahm. Vendela betrachtete die Mahagonitischplatte, die Schaden nehmen würde.
»Nein.«
»Sie vertrauten ihm nicht? Warum nicht?«
Die Müdigkeit und der Alkohol zersetzten langsam ihre Selbstbeherrschung. Sie atmete gleichmäßiger, ihre Lider sanken etwas herab.
»Raoul«, begann sie, »konnte sehr launisch sein und war ausgesprochen egoistisch. Seine Bedürfnisse kamen immer zuerst. Er arbeitete mit fast roboterhafter Zielstrebigkeit an seiner Karriere und war, was seine Beziehungen anging, vollkommen ruchlos. Im Laufe der Jahre hatte er eine Position erreicht, die es ihm gestattete, zu tun und lassen, was er wollte. Alle seine Wünsche wurden erfüllt. Ganz einfach, weil ihm niemand etwas abschlagen konnte. In Raouls Gegenwart verloren alle den Kopf. Nicht nur ich. Ich bin mir vollkommen sicher, dass er neben seinen offiziellen noch viele geheime Geliebte hatte.« Helena lächelte. »Er war sehr leidenschaftlich. Er liebte und spielte mit gleicher Intensität.« Sie verzog den Mund. »W elch ein Klischee! Aber es ist wahr. Keine Frau konnte ihm widerstehen. Ich auch nicht.«
»Sie waren also seine Geliebte?«
»Er war mein Lover.«
»Hätten Sie sich mehr gewünscht?«
Helena schaute aus dem Fenster und dachte nach. Sie trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen.
»Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Er ist tot.«
»W ie sah Ihre Beziehung aus?«
Wieder ließ sich Helena mit der Antwort Zeit.
»Es war eine typische Affäre, kann man vermutlich sagen, allerdings eine sehr lange. Wir sahen uns nicht regelmäßig, aber sobald sich eine Möglichkeit ergab, trafen wir uns, normalerweise in seinem Hotel. Das letzte Mal liegt etwas mehr als ein halbes Jahr zurück, im Februar nach seinem Kammerkonzert im Grünewaldsaal.«
Ebba erinnerte sich daran. Sie war dort gewesen, eine der begeisterten Brahms-Enthusiastinnen im Saal. Raoul hatte sich fünfmal verbeugt und dann eine Zugabe gegeben, ein Paganini-Capriccio. Anschließend war der Beifall so groß gewesen, dass er noch eine Nummer gespielt hatte. Der Applaus hatte kein
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