Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Caroline zuckte nur mit den Achseln.
»Und was haben Sie getan, als Sie die Tabletten nicht bekamen, Caroline?«, fuhr Ebba fort.
»Na was schon? Ich hatte keine Wahl. Ich begab mich auf die Gynäkologie und wartete, bis ich an die Reihe kam. Das dauerte zwei Stunden. Scheiße … « Sie seufzte. »Ich musste die Probe vor dem Konzert am selben Abend ausfallen lassen. Ich war vollkommen fertig und wollte das Kind nur so schnell wie möglich loswerden. Ein Problem weniger. Als Louise sich die Finger klemmte … ich weiß nicht, ich geriet ganz einfach in Panik. Sie war so verdammt sauer und gemein. Plötzlich drehte sich alles nur noch um sie, um ihr Geigenspiel und ihre Karriere. Wie sehr sie zu bedauern sei. Da kam es mir vor, als würde ich des Kindes wegen auf mein Leben verzichten müssen. Und so war es nicht geplant, zumindest nicht von mir.«
»Sie unterzogen sich also einem medizinischen Schwangerschaftsabbruch im Danderyds Sjukhus«, sagte Ebba. »Also dieselbe Prozedur, für die Ihre Schwester Ihnen ein Rezept ausgestellt hatte. Dabei wird die erste Tablette dieses Mifegyne unter Aufsicht in der Klinik eingenommen.«
»W enn Sie das alles schon wissen, dann brauchen Sie mich ja nicht zu fragen«, murmelte Caroline.
»Sie gehen mit den Informationen, die wir benötigen, nicht allzu freizügig um, Caroline. Gewisse Dinge müssen wir uns von Ihnen bestätigen lassen.« Ebba lächelte sie an, um die geladene Stimmung etwas zu entschärfen. Caroline starrte sie aber nur ausdruckslos an.
»Beispielsweise haben Sie uns nicht erzählt«, fuhr Ebba fort, »dass Sie auf der Gynäkologie noch einmal Schmerztabletten bekommen haben.«
Caroline schwieg weiterhin, aber ein Augenlid begann zu zucken.
»Haben Sie alle Tabletten genommen, die Sie von der Hebamme erhielten?«
»Natürlich.«
»Und was haben Sie mit denen gemacht, die Sie auf Helenas Rezept bekommen hatten?«
Helena schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. Caroline warf erst ihr einen sauren und dann Ebba einen finsteren Blick zu.
»Plötzlich verfügen Sie über eine doppelte Ration Tabletten … darunter auch Dexofen«, fuhr Ebba fort.
Caroline ließ sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen.
»Ich habe sie alle eingenommen. Natürlich nicht gleichzeitig, aber ich brauchte sie, als ich auf Tournee war. Sie haben sicher keine Ahnung, wie man sich nach einem Schwangerschaftsabbruch fühlt. Bei mir war es das dritte Mal, und ich wusste also sehr gut, was mir bevorstand. Wochenlange Blutungen und Schmerzen. Außerdem sollte ich am selben Abend ein Konzert geben und dann diese Tournee antreten. Ich hatte mich so darauf gefreut, Haydns Cellokonzert zu spielen. Diesen Klassiker will jeder Cellist spielen. Das wäre ein Riesenschritt auf der Karriereleiter gewesen. Stattdessen wurde es eine Katastrophe.«
Trotz ihrer Verletzlichkeit war Caroline offenbar erleichtert, die quälenden Erinnerungen nicht mehr allein tragen zu müssen. Aber auf das Geständnis folgte die Reaktion. Sie presste die Lippen zusammen und atmete laut durch, um nicht in Tränen auszubrechen. Ebba wartete, bis sie sich gesammelt hatte, um weitersprechen zu können.
»Es war wirklich verdammt schlimm. Ich war vollkommen erschöpft. Sobald ich mich erhob, hatte ich das Gefühl, ohnmächtig werden zu müssen. Ich konnte mich nicht mehr auf das Spiel konzentrieren, obwohl ich die Stimme wahnsinnig gut beherrschte. Ich hatte so hart gearbeitet, und es lag mir so viel daran. Und dann ging alles zum Teufel. Ich schämte mich dafür, dass ich bei einem Konzert nach dem anderen versagte. Die Orchestermusiker tuschelten und mieden mich. Ich war vollkommen allein. Und ich blutete unentwegt. Es spielte keine Rolle, wie oft ich die Binden wechselte, einige Minuten später waren sie wieder vollkommen blutgetränkt.« Sie schüttelte den Kopf und wischte sich die ersten Tränen weg, bevor sie ihr über die Wange liefen, aber dann kümmerte sie sich nicht mehr darum.
»V on meinen Konzertkleidern konnte ich nur das schwarze verwenden. Als ich auf der Bühne saß, spürte ich, wie es aus mir herausströmte. Ich hatte wahnsinnige Angst davor, aufstehen und mich verbeugen zu müssen … « Sie schniefte. »Nicht, dass sonderlich viel geklatscht worden wäre … Aber das Orchester und das Publikum hätten die großen roten Flecken gesehen. Oder das Blut wäre mir die Beine heruntergelaufen, wenn ich die Bühne verlassen hätte.«
Helena hatte schweigend zugehört. Ihr Ärger hatte sich gelegt.
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