Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
gerechnet.
»W arum haben Sie mir das nicht gesagt?«
Helena lächelte überlegen. »Sie haben gefragt, ob jemand Dexofen verwendet, und dem ist meines Wissens nicht so. Sie wollen doch wohl, dass wir Ihre Fragen korrekt beantworten? Ich habe Louise stattdessen Voltaren verschrieben.«
»W ar das auf ihren Wunsch?«
»Ich habe sie gefragt, welches Schmerzmittel sie erhalten habe. Sie erzählte es mir, und ich erbot mich, ihr ein anderes Mittel zu verschreiben, das weniger Nebenwirkungen hat. Für Voltaren braucht man außerdem kein Rezept, nur bei Bezug einer größeren Menge.«
»Louise und Sie wussten also, dass man ihr Dexofen verschrieben hatte. Interessant, Helena. Das bringt uns jetzt doch einen Schritt weiter.«
Ebba wandte sich rasch an Caroline, um sie aufzuschrecken. »Und Sie, wussten Sie davon?«
Caroline zuckte zusammen. »W ovon? Von der Medizin? Davon weiß ich nichts.«
Ebba lehnte sich zurück und fixierte sie, bis Caroline ihrem Blick auswich.
»Aber Sie kennen dieses Arzneimittel?«
Caroline antwortete nicht.
»Schließlich wurde es Ihnen auch vor drei Wochen verschrieben«, meinte Ebba, »im Zusammenhang mit Ihrem Schwangerschaftsabbruch.«
Es wurde vollkommen still. Zum ersten Mal war Helena eine gewisse Unruhe anzumerken. Caroline sank in sich zusammen und rückte etwas von ihrer Schwester ab.
»Das kann doch wohl keine von Ihnen erstaunen, schließlich waren Sie es, Helena, die Caroline die Tabletten verschrieben hat.« Diese unmissverständliche Bezichtigung verschärfte sofort die Stimmung im Salon. Der Schock machte es sowohl Helena als auch Caroline unmöglich zu antworten. Ebba betrachtete sie eingehend, um sich einen Reim auf ihre recht unbegreiflichen Reaktionen zu machen. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ihnen diese Information zum Teil neu war.
»V endela, würdest du mir bitte den Ausdruck reichen?« Ebba streckte die Hand aus, und Vendela reichte ihr ein Blatt. Sie setzte ihre Lesebrille auf und fuhr fort: »Am Freitag, dem 2. Oktober, löst Caroline af Melchior ein Rezept ein, das Frau Dr. Andermyr ausgestellt hat, und zwar in der Apotheke des Danderyds Sjukhus. Es handelt sich um folgende Tabletten: Voltaren, 50 mg, Alvedon 1 g, Dexofen 100 mg, Torecan sowie Cytotec. Außerdem steht auf dem Rezept noch Mifegyne, das jedoch nicht in Anspruch genommen wird.«
Sie legte das Papier beiseite, nahm ihre Brille ab und wandte sich den Schwestern erneut zu.
Helena sagte, langsam und nachdenklich, als Erste wieder etwas. »Ich habe dieses Rezept ausgestellt. Das stimmt. Und trotzdem … « Sie unterbrach sich und sah Caroline an, aber diese schüttelte nur den Kopf. Helena schluckte, zögerte, hatte aber dann doch das Gefühl, fortfahren zu müssen. »Okay … das hier war mir neu, Caroline. Ich hatte den Eindruck, dass das Rezept nicht verwendet wurde.« Sie sah Ebba an. Ebba zog die Brauen hoch.
»Auf Carolines Wunsch verschrieb ich ihr das Mittel für den Schwangerschaftsabbruch«, fuhr Helena fort. »Ich muss zugeben, dass mir das widerstrebte. Es war das erste Mal, dass ich so etwas verschrieb, und ich war mir sehr bewusst, mit welchen Risiken diese Präparate behaftet sind. Aber Caroline war unerbittlich und vor ihrer Tournee fast hysterisch vor Stress.«
»Das hätte Sie vielleicht davon abhalten sollen, ihr ihren Wunsch zu erfüllen?«, meinte Ebba.
»Nachher ist man immer klüger. Natürlich bin ich ganz Ihrer Meinung, Ebba. Aber es verhält sich folgendermaßen … « Sie machte eine kurze Pause, um noch einmal über die neue Wendung nachzudenken. Jetzt wandte sie sich wieder an Caroline. »Ich hatte den Eindruck, dass du den Schwangerschaftsabbruch gar nicht durchgeführt hattest.«
Alle sahen jetzt Caroline an. Bisher hatte sie noch kein Wort gesagt, aber je länger die Stille im Salon währte, desto schwerer fiel es ihr, ihre Antwort hinauszuzögern.
»Es ging nicht«, begann Caroline mit ihrer rauen Altstimme. »Man hat sich geweigert, mir Mifegyne auszuhändigen. Ich begreife nicht, dass dir das nicht klar war. Es war wahnsinnig peinlich, vor dem Tresen zu stehen und von so einer alten Schachtel ausgefragt zu werden. Ich schämte mich für dich und für mich. Sie sagte, man müsse sich in eine gynäkologische Praxis begeben, um einen medizinischen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Gewisse Medikamente dürfen an Privatpersonen nicht ausgehändigt werden.«
»Aber warum hast du mir das nicht erzählt?«, fragte Helena verblüfft.
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