Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Mal getroffen, und sie entsprach ihren Vorstellungen vollkommen. Distanziert und kultiviert, nie überschwänglich. Sie spielte in ihren dünnen, flatternden Seidenkleidern bei einer Hitze von vierzig Grad, ohne dass Schweißflecken unter ihren Armen zu sehen gewesen wären. Bereits im Flugzeug auf dem Hinweg hatte Anna beschlossen, keinerlei Eifersucht zu empfinden, denn damit würde sie sich nur selbst schaden. Stattdessen hatte sie sich um Joys Freundschaft bemüht. Raoul hatte sie zur Begrüßung umarmt und auf die Wangen geküsst, und sie hatte daraufhin Joy mit derselben Herzlichkeit begrüßt. Da Raoul ihr offenbar nicht von ihrer gemeinsamen Vorgeschichte erzählt hatte, hatte sie sofort einen guten Draht zu seiner jetzigen Frau gefunden. Abends waren sie gemeinsam in der warmen Sommernacht zum Hotel geschlendert. Louise und Raoul waren oft zwei Schritte zurückgeblieben, um irgendetwas zu diskutieren. Dann hatte sie immer Joys Arm genommen, und sie hatten vertraulich flüsternd die Schaufenster betrachtet. Sie spürte Raouls kritischen Blick im Rücken und wusste, dass sie Joys Anmut mit Oberweite und Kurven ausglich. Ihre Belohnung waren Raouls anerkennende Blicke und die eine oder andere Umarmung, wenn es sich natürlich ergab. Sie wandte jedoch den Blick ab, wenn Raoul und Joy Händchen hielten und wenn Raoul Joy an sich drückte, sodass sie in seiner Umarmung und unter seinem Kuss fast verschwand, bevor sie auf ihr Zimmer gingen.
Es war ein funkelnd-schöner Herbsttag. Das gelbe und rote Laub zeichnete sich deutlich vor dem durchdringend blauen Himmel ab. Die Sonne wärmte nur schwach, und der Winter ließ sich bereits in der klaren Luft ahnen.
Anna saß auf ihrer Reisetasche und hielt ihr Gesicht in die Herbstsonne. Ihre perfekt geschminkten Lippen waren leicht geöffnet. Sie schloss die Augen hinter ihrer Sonnenbrille und spürte, wie die Wirkung des Alkohols langsam verflog. Von der Seite näherten sich klappernde Absätze und ein Rollkoffer auf den unebenen Pflastersteinen. Als sie blinzelnd die Augen öffnete, sah sie eine große blonde Frau mit einem Bratschenkasten in der Hand, die ein Bordcase aus Aluminium hinter sich herzog.
Diese selbstsicheren Schritte. Perfekte Frisur, das Gesicht rosig und ausgeschlafen und ohne den Hinweis auf jegliche Anstrengung. Schlank auf eine natürliche und sorglose Art, sodass alles wie angegossen passt. Wie kann sie nur immer so perfekt aussehen, dachte Anna, obwohl sie sicher genauso einen Kater hat wie ich?
Als Helena zwei Meter von ihr entfernt war, schob Anna ihre Brille hoch und stand mit ausgestreckten Armen auf.
»Hallo! Wie geht es dir?«, rief sie lächelnd, und sie umarmten sich. Dann trat sie einen Schritt zurück und fuhr fort: »Du siehst etwas müde aus, Darling! Hast du die ganze Nacht geübt?«
Hinter ihnen bog ein großes Taxi auf den Parkplatz ein. Caroline öffnete die eine hintere Tür und stieg aus, indem sie den Cellokasten vor sich herschob. Louise bezahlte und stieg kurz nach ihr aus. Caroline trug einen alten, zwei Nummern zu großen dunkelblauen Ulster, der vermutlich in den Fünfzigerjahren von Baron af Melchior bei einem englischen Herrenausstatter gekauft worden war. Sie hatte sich einen gestrickten hellgrauen Wollschal mehrfach um den Hals gewickelt. Unter dem Mantel trug sie ausgewaschene Jeans, die an den Knien eingerissen waren, und dazu schwere schwarze Motorradstiefel. Louise war bekleidet mit einer grünen Barbour-Jacke, schwarzen Hosen und Gummistiefeln. Der weiße Verband an ihrer Hand leuchtete. Der Taxifahrer öffnete den Kofferraum und trug Taschen, Kästen und Tüten mit Lebensmitteln und Wein auf das Targaboot, das am Kai vertäut lag. Helena und Anna brachten ihr Gepäck an Bord und ließen sich auf dem Achterdeck nieder. Beide trugen Sonnenbrillen und hielten ihr Gesicht in die Sonne. Caroline ging vorne am Bug an Bord, betrat sofort die Steuerkabine und knallte die Tür hinter sich zu.
»Dann warten wir nur noch auf Raoul«, meinte Louise und schaute auf die Uhr. »Kjell und Jan kommen morgen mit einem eigenen Boot und bringen die ganze aufnahmetechnische Ausrüstung mit.«
Zwanzig Minuten später näherte sich ein weiteres Taxi mit rasendem Tempo dem Kai und hielt mit quietschenden Reifen beim Boot. Auf dem Rücksitz war eine Person zu erkennen, die mit der einen Hand ein Handy ans Ohr drückte und gleichzeitig dem Fahrer mit der anderen eine Kreditkarte reichte. Der Fahrer hob ein silbergraues Bordcase aus
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