Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
«
Sie verstummte und verzog angeekelt ihr Gesicht. Ebba ließ ihr Zeit. Nach einer Weile fuhr Anna fort: »Es war nicht nur, weil Raoul Caroline gewählt hatte. Oder weil er mit mir Schluss gemacht hatte. Das liegt schließlich fünfundzwanzig Jahre zurück. Es war nicht, weil es mir als erwachsener Frau nie gelungen ist, einen ordentlichen Freundeskreis zu finden. Ich lebe immer noch wie eine Studentin! Und jetzt werde ich eine alte Jungfer, die sich mit ihren Marotten abkapselt.«
Sie schlug die Augen auf und wagte es, Ebba und Vendela anzusehen. Als Erstes fielen ihr die schwarzen Kleider auf, zu schwarz für normale Bürokleidung.
»Sie kommen von der Beerdigung«, sagte sie, und Ebba nickte.
»Es tut mir so leid … «, fuhr sie vorsichtig fort. »Es war an diesem Abend so ein Durcheinander. Ich wünschte, ich hätte etwas anderes getan.« Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, aber die Tränen blieben aus.
»Erzählen Sie doch, was passiert ist, Anna«, begann Ebba. »Ich verstehe, dass Sie sehr erschöpft sind. Aber es wird Ihnen besser gehen, wenn Sie Ihr Herz erleichtern.«
Anna zog den Sauerstoff tief in die Lungen.
»W ir hatten das Stenhammar-Quartett fertig aufgenommen. Wir hatten also erledigt, was uns nach Svalskär geführt hatte. Es war so, als würden die Bande, die uns zusammengehalten hatten, plötzlich gesprengt. Helena drehte vollkommen durch und warf mit einer Kaffeetasse nach mir. Caroline geriet außer sich, als sie Louise und Peder begegnete. Und Raoul schlängelte sich aalglatt durch alles hindurch. Was auch immer ich sagte, es war stets das Falsche. Alle waren nur mit sich beschäftigt. Auf einmal hatte ich das Gefühl, vollkommen außen vor zu stehen. Ich betrachtete alles wie durch eine Glasscheibe. Als gehörte ich nicht dorthin … oder gehörte irgendwo anders hin und würde nicht gebraucht. Das war kein neues Gefühl. So habe ich schon früher empfunden. Aber jetzt reichte es mir. Ich beschloss, dem Ganzen ein Ende zu machen.«
»W enn Sie das sagen, meinen Sie Raoul und sich selbst?«
Anna schloss wieder die Augen. Sie beantwortete die Frage nicht. Je mehr Zeit sie verstreichen ließ, desto länger zögerte sie die Antwort hinaus, die von ihr erwartet wurde. Als sie den Mund wieder öffnete, entschied sie sich dafür, weiter der von ihr eingeschlagenen Linie zu folgen und es damit zu umgehen, Ebba eine konkrete Antwort zu liefern.
»Ich schaute aus dem Küchenfenster und goss mir ein Glas Wein ein, nahm die Dexofen-Tabletten, zerstieß sie in einem Mörser und mischte das Pulver dann mit dem Wein. Ich hatte die Schachtel am frühen Abend in Louises Zimmer gefunden, als ich mir zwei Alvedon gegen meine Kopfschmerzen geholt hatte. Ich hatte kein Alvedon mehr, und sie hatte gesagt, in ihrem Necessaire lägen welche. Louise bearbeitete mit Jan und Kjell die Bänder, und schließlich war es nicht nötig, dass sie mir die Tabletten holte. Das konnte ich genauso gut selbst tun, fanden wir beide. Ich ging also hoch. Als ich ihr Necessaire öffnete, sah ich die ungeöffnete Packung Dexofen. Ich wusste, dass man sterben kann, wenn man Dexofen und Alkohol mischt, denn das hatte mir meine Mutter einmal erzählt. Letztes Jahr, als ich zu Hause in Mora bei meiner Familie Weihnachten feierte, erzählte sie von einem Patienten, der an dieser Kombination gestorben war. Er hatte eine gut verlaufene Operation feiern wollen und vergessen, den Beipackzettel zu lesen. Mama sagte, es könnte recht schnell gehen, weil die Atmung gelähmt werde. Das hatte ich seither im Hinterkopf. Ich hätte nie gedacht, dass ich es wagen würde, diese Tabletten zu schlucken. Und dann tat ich es. Als würde ich davon angezogen, weil es so schrecklich war.«
Anna hielt inne, um neue Kräfte zu sammeln. »Ich mischte die Tabletten mit dem Wein, was eine recht eklige Brühe ergab, aber das kümmerte mich nicht weiter. Irrerweise dachte ich, dass jemand anderes vergiftet werden könnte, wenn ich den Mörser nicht ordentlich abspülte. Das tat ich also sorgfältig.«
Sie holte tief Luft und nahm ihren Mut zusammen, um fortzufahren: »Ich sah durch das Küchenfenster, wie Raoul und Peder stritten, genau wie ich erzählt habe. Ich ging aber nicht in mein Zimmer hinauf. Plötzlich schlug Peder Raoul mit der Faust, und Raoul ging zu Boden. Peder machte sich mit seinem Boot aus dem Staub. Raoul blieb liegen. Ich machte mir natürlich Sorgen und eilte zu ihm. Als ich am Steg ankam, saß er aber bereits auf der Bank. Ich setzte
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