Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
starb?«
Ebba beugte sich vor, um besser hören zu können. Helena räusperte sich und sagte vorsichtig: »Ich … hatte einen Grund, gewisse Dinge unverzüglich mit Raoul zu klären. Es ließ sich nicht länger aufschieben.«
Leonard beugte sich vor und flüsterte verblüfft: »Nicht aufschieben? Was meinst du damit?«
Helena warf einen raschen Blick über die Schulter und sah Ebba aus den Augenwinkeln an. Dann wandte sie sich wieder an Raouls Eltern und sagte: »Habt ihr meine Schwester getroffen? Caroline af Melchior?«
»Die große, gut aussehende Cellistin?«, fragte Leonard. »Sie wird jetzt spielen … «
Ebba sah Pontus an und sagte: »Das hier wird richtig spannend. Es gibt bei jüdischen Begräbnissen die Sitte, Kleider zu zerreißen und sich die Haare zu raufen.«
Pontus kam etwas näher, und sie nahm den Duft seines Rasierwassers wahr, Sandelholz und Pomeranzen. »Aber es heißt nicht ausdrücklich, dass es die eigenen sein müssen.« Ebba sah ihn amüsiert an, und Pontus setzte diskret eine Kippa auf, die er in der Tasche gehabt hatte. Es waren viele Leute im Saal, und es schien richtig voll zu werden.
Vendela stieß Ebba an, und diese drehte sich um.
»Helena hat doch gesagt, sie hätte Raoul ein Foto gegeben.«
»Und?«
»Bei seiner Leiche wurde aber kein derartiges Foto gefunden.«
»Da hast du recht.«
»Das Natürliche wäre doch gewesen, wenn Raoul ein solches Foto in seine Brieftasche gelegt hätte, nicht wahr?«
»Die Caroline dann öffnete, um die Spritzen herauszunehmen. Hat sie das Foto gesehen?«
»Sie muss ihren Neffen erkannt und ihre Schlüsse gezogen haben, obwohl sie nach der Neunten von der Schule abgegangen ist. Wer hat das Foto verschwinden lassen?«
Zwei Männer der Chewra hielten den Zeigefinger an die Lippen, und Ebba nickte. Langsam setzten sie ihren Weg in die Kapelle fort. Es war fünf Jahre her, dass Ebba zuletzt dort gewesen war, bei der Beerdigung ihres Vaters. Von Neuem fiel ihr auf, wie kahl der Saal war. In der Mitte stand der Sarg mit einem schwarzen Tuch darüber, darauf der Davidstern. Keine Blumen bis auf einen Kranz aus roten Rosen. Sie strengte sich an, den Text auf der Kranzschleife zu lesen, aber bekam die Buchstaben nicht richtig zusammen, da die Schleife Falten warf. In ihrer Handtasche lag die Brille, sie hatte aber keine Lust, sie aufzusetzen. Stattdessen beugte sie sich zu Pontus und sagte: »Ich geh nur rasch etwas nachsehen. Bin gleich zurück.«
Leise Entschuldigungen murmelnd bewegte sie sich gegen den Menschenstrom und winkte einen der Männer der Chewra Kadischa zu sich.
»Ich habe eine Frage. Vorn liegt ein Kranz.«
»Blumen sind eigentlich nicht üblich.«
»Ich weiß. Von wem ist der Kranz, und was steht auf der Schleife?«
»Ich frage mal nach«, sagte er und wandte sich an einen Kollegen. Wenig später war er zurück.
»Also da steht: ›Dein auf ewig‹.«
»Und von wem ist er?«
»Offenbar von einer gewissen Anna Ljungberg.«
Ebba dankte für die Information und stellte sich neben die Tür. Hastig suchte sie den Saal und die hereinströmenden Trauergäste mit dem Blick ab. Auf einer Bank saß Louise und unterhielt sich leise mit dem Orchesterchef der Radiosinfoniker. Ebba beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Haben Sie Anna gesehen?«, fragte sie.
»Anna? Nein«, antwortete Louise.
»W issen Sie, ob sie zu der Beerdigung kommen wollte?«
»Keine Ahnung. Wir haben nicht miteinander gesprochen.«
Als der Saal sich fast auf den letzten Platz gefüllt hatte, war Anna immer noch nicht erschienen. Pontus wandte sich mit einem fragenden Blick an Ebba. Diese winkte ihn zu sich. Mit entschuldigender Miene schob er sich an den Personen in seiner Bankreihe vorbei.
»W as ist?«, fragte er, als er Ebba erreicht hatte.
»Anna Ljungberg ist nicht hier. Sie hat einen Kranz geschickt mit dem Text ›Dein auf ewig‹.«
»Okay, fahr zu ihr!«, erwiderte Pontus. »Ich bleibe hier und schaue mir an, was weiter passiert. Willst du Vendela haben?«
»W illst du?«, entgegnete Ebba mit zusammengebissenen Zähnen, drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Vor der Kapelle zog sie ihr Handy aus der Tasche und rief Annas Festnetznummer an. Niemand ging dran. Dann versuchte sie es mit der Handynummer. Nach fünfmaligem Klingeln sprang der Anrufbeantworter an.
Ebba klappte ihr Handy zusammen und drückte es nachdenklich ans Kinn. Dann rief sie ihre Kontaktperson bei der Rettungszentrale an und fragte,
Weitere Kostenlose Bücher