Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
oder es zusammen mit der Dexofen-Schachtel verbrannt?«
Mit aller Kraft spuckte Anna Ebba ins Gesicht.
»So, so«, meinte Ebba und wischte sich mit Annas Decke das Gesicht ab. »W enn das kein Lippenbekenntnis war.«
Dann setzte sie sich auf die Bettkante und wartete ab, bis sich Anna wieder einigermaßen beruhigt hatte.
»Anna«, begann Ebba langsam und beherrscht. »Sie hatten ein starkes Motiv, Raoul den Tod zu wünschen. Er war die Liebe Ihres Lebens. Sie waren von ihm schwanger geworden, und er erzwang einen Schwangerschaftsabbruch, indem er drohte, die Beziehung zu beenden. Sie opferten seiner Liebe das Kind, und trotzdem verließ er Sie. Sie liebten ihn immer noch, aber es gelang Ihnen nie, ihn zurückzugewinnen. In all diesen Jahren war Helena seine heimliche Geliebte. Zusammen bekamen sie David. Raoul entscheidet sich fünfundzwanzig Jahre zu spät für die Vaterrolle. Als er Ihnen davon erzählt, bereuen Sie zutiefst, damals nicht das Kind behalten zu haben, aber für Sie beide ist es zu spät. Er hat sich bereits in Caroline verliebt. Caroline, die Sie nicht im Geringsten respektieren. Sie halten sie für oberflächlich und egoistisch. Sie hat Raoul nicht verdient. Aber er hat nichts anderes im Kopf, als mit ihr ein Kind zu zeugen.«
Sie hielt inne, damit Anna ihre Worte verarbeiten konnte.
»Mit Ihnen wollte er kein Kind. Auch jetzt nicht. Obwohl Sie ihn all die Jahre treu und geduldig geliebt hatten. Es gibt keine Gerechtigkeit, Anna. Sie entschieden sich, Raoul sterben zu lassen. Sie hätten Helena holen können, nachdem er das Glas mit dem Wein und Dexofen getrunken hatte. Sie hätten versuchen können, ihn am Trinken zu hindern. Aber Sie trafen eine sehr bewusste Entscheidung, als Sie ihn auf der Bank zurückließen.«
Anna starrte an die Decke. Die Tränen liefen ihr über die Schläfen.
Ebba erhob sich.
»Sollen wir jetzt die Schwester rufen, damit sie Ihnen noch einmal Blut abnehmen kann?«
»Eine Blutprobe?«, fragte Vendela.
»Ja, um zu sehen, ob sich überhaupt Dexofen im Blutkreislauf befindet. Es ist schließlich unnötig, Steuergelder für ein Zimmer auf der Intensivstation zu verschwenden, wenn jemand nach ein paar Gläsern Champagner über Mittag höchstens ein Promille Alkohol im Blut hat.«
»Bitte schön!«, fauchte Anna und hielt ihr die Innenseite ihres Armes hin. »Dann holen Sie halt die Schwester.«
Ebba drückte auf die Klingel. Dann beugte sie sich wieder über Anna. »Ich werde um eine sehr genaue Bestimmung der Dexofenkonzentration bitten. Sollte sich diese als hoch erweisen, wäre das ein Plus für Sie. Aber das macht Raoul auch nicht wieder lebendig. Irgendwie ist er ins Wasser geraten. Und Sie erzählen mir jetzt, wie.«
»Ich schwöre, dass ich das nicht weiß. Er war einfach weg. Aber ich habe ihn nicht ins Wasser geworfen.«
»W er dann? Wer hat Ihnen diesen Dienst erwiesen? Und warum?«
»Ich weiß es nicht! Das sage ich doch!« Ihre Stimme klang schrill, fast hysterisch. Rasche Schritte waren auf dem Korridor zu hören. »Ich wollte nicht, dass es so endet. Warum glauben Sie mir nicht?«
»W eil Sie mit Raoul zusammen dort draußen gestorben wären, wenn Sie das gewollt hätten. Es gibt viele Arten, sich das Leben zu nehmen. Mit einem Messer geht das recht schnell. Das wissen Sie sehr gut. Aber als es so weit war, stand Ihnen dann doch nicht der Sinn danach.«
»Nein«, keuchte Anna. »Ich wagte es nicht.« Ihre Lippen gehorchten ihr kaum.
»Sie kehrten also in Ihr Zimmer zurück und versteckten sich. Und Sie schämten sich.«
Anna drehte den Kopf zur Wand, um ihr Gesicht nicht zeigen zu müssen.
»Und damit wir nicht glauben sollten, dass Sie Raoul ermordet hätten, taten Sie ein weiteres Mal so, als wollten Sie sich das Leben nehmen?«
»Ich versuchte … «
Die Tür wurde geöffnet, und eine Krankenschwester trat ein. Ebba winkte sie heran.
»W ir brauchen eine Blutprobe«, sagte sie und ergriff die Hand, in der die Kanüle steckte. »W ir haben nicht genug Zeit, einen unserer Kriminaltechniker zu rufen, aber Sie können vermutlich mühelos das Blut hier entnehmen?«
»Das darf ich nicht«, meinte die Schwester. »Ich muss erst den Arzt fragen.«
»Natürlich«, erwiderte Ebba, und die Krankenschwester verschwand. Sie kehrte mit einer korpulenten Ärztin Anfang sechzig mit dicken Brillengläsern zurück. Ebba erklärte ihr Anliegen. Nach einem Anruf bei Svante war die Ärztin bereit, die Blutprobe zu entnehmen. Während die Schwester die
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