Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
abweisend?«
Helena vermied es, seinem Blick zu begegnen, war aber gezwungen, ihre Jacke anzuziehen, damit nicht der Eindruck entstand, sie würde Hals über Kopf die Flucht ergreifen wollen, was eigentlich der Fall war. Deswegen musste sie seine Anwesenheit noch einige Sekunden ertragen. Zu ihrer Verzweiflung sah sie, dass er ebenfalls seinen Mantel und seine schwarzen Stiefel anzog. Jetzt konnte sie es sich nicht anders überlegen und im Haus bleiben, weil es dann offensichtlich war, dass sie ihm aus dem Weg ging. Gerade als sie die Haustüre öffnen wollte, kam Anna herein.
»Hallo!«, grüßte sie fröhlich. »Seid ihr auf dem Weg nach draußen? Wo wollt ihr hin?«
Helena kam Raoul mit der Antwort zuvor.
»W ir wollten Brennholz holen. Aber eigentlich könntest du das zusammen mit Raoul machen.«
»Klar.« Anna strahlte. »Es wird heute Abend wirklich saukalt, und wir müssen alle Kachelöfen einheizen.«
Sie schob ihren Arm unter den von Raoul, und die beiden begaben sich munter Richtung Holzschuppen. Bevor Helena hinter ihnen die Tür schloss, drehte sich Raoul um und warf ihr noch einen langen Blick zu.
Die große Küche war dafür ausgelegt, dass in ihr für die großen Gesellschaften gekocht werden konnte, die sich vor hundert Jahren regelmäßig auf Svalskär eingefunden hatten. Im Sommer wurde meist in der Fliederlaube oder, wenn es regnete, im lichten Esszimmer getafelt. Mittlerweile wohnten nie mehr als zehn Personen gleichzeitig auf Svalskär, und Louise servierte die Mahlzeiten daher am Eichentisch in der Küche. Das war etwas intimer. Meist befanden sich ohnehin nur Louise und ihre Mutter auf der Insel.
Jetzt thronte Louise am Kopfende des großen Eichentisches, den verbundenen Arm auf dem anderen ruhend. Caroline hackte Basilikum und Thymian, und der aromatische Duft hob sich erfrischend ab von den alten Kacheln mit der rissigen gelben Glasur. Schwere Kupfertöpfe hingen an den Wänden, und die Schränke hatten gediegene Messingbeschläge, die schon lange niemand mehr poliert hatte. Alles war solide gearbeitet, etwa so wie im Märchen von Goldlöckchen und den drei Bären. Caroline wirkte vor dem Aga-Herd wie ein schlaksiges Aschenputtel. Ihre dunklen Haare schwangen im Rhythmus des Messers hin und her.
Anna deckte den Tisch. Sie hatte ein paar Kerzen angezündet. Der Lichtschein flackerte an Wänden und Decke. Helena lehnte mit einem Glas Chardonnay in der Hand an der Anrichte. Sie betrachtete Annas sorgfältige Bewegungen, wie genau sie das Besteck ausrichtete und die Gläser ins Licht hielt und polierte. Sie hatte dabei ein seliges Lächeln auf den Lippen, und Helena nervte ihre Genügsamkeit. Sie bezog etwas weiter weg am Fenster Richtung Landungssteg Position und trank einen großen Schluck Wein. Als sie Raoul die Treppe in die Küche herunterkommen hörte, drehte sie sich rasch um und merkte, dass sich die Härchen auf ihren Unterarmen sträubten.
»Steht ihr hier und kocht, Mädels«, sagte er munter. »Ich bin beeindruckt.«
Caroline verzog bei dem Wort »Mädels« höhnisch das Gesicht und murmelte so etwas wie »Machoschwein«.
»Komm her, Machoschwein«, sagte Anna lachend und bedachte Caroline mit einem ironischen Blick. Sie zog Raoul an sich. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Stenhammar ist doch wunderbare Musik, nicht wahr?«, sagte Anna. »Nicht zu fassen, dass du hierhergekommen bist, um mit uns zu spielen, Raoul! Wir haben seit Jahren nicht mehr zusammen gespielt.«
»W ann war eigentlich das letzte Mal?«
»Kannst du dich nicht mehr daran erinnern? Das war doch auf diesem Festival in Cannes. Louise war auch dabei. Und deine süße Frau. Wir saßen in der Pergola unter den Bougainvilleen und frühstückten mit Aussicht aufs Mittelmeer … das war wunderbar.«
Ein Topf auf dem Herd begann heftig zu brodeln, und Anna machte sich von Raouls Arm los und eilte zum Herd, um die Flamme herunterzudrehen, bevor es überkochte. Raoul ging zum Fenster weiter, an dem Helena mit verschränkten Armen stand. Er sah sie an, und sie konnte nicht entfliehen.
»Bei dir alles in Ordnung?«, fragte er mit höflichem Desinteresse.
Helena ließ sich mit ihrer Antwort Zeit, um deutlich zu machen, wie ihre eigentliche Antwort lautete.
»Mir geht es ausgezeichnet. Es ist wirklich wunderbar, mit dir spielen zu dürfen. Das ist für das Quartett eine reine Vitaminkur. Es ist großartig, mit welcher Großzügigkeit du uns an deinem Künstlertum
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