Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Helena fortzusetzen, so konnte er den Gedanken nicht ertragen, dass sie einem anderen gehören sollte, selbst wenn das ihr Ehemann war. Der Besitzreflex war tief verwurzelt.
Er strengte sich an, seine Gedanken zu schärfen. Jetzt waren sie bei dem Thema angelangt, auf das er selbst hatte zu sprechen kommen wollen. Trotzdem war er sich unsicher, wie er weitermachen sollte. »Aber du hast recht, Helena. Weißt du was, ich will deine Familie wirklich kennenlernen.«
»W illst du das?« Ihr Herz schlug fester bei dieser unerwarteten Wendung.
»Ja«, fuhr Raoul vorsichtig fort, »schon jetzt … ich meine, ich habe schließlich deine Schwester hier auf Svalskär getroffen.«
»Caroline.« Helena lachte nachsichtig. »Sie gehört zum wahnsinnigen Teil der Sippe. Wir anderen sind etwas vernünftiger. Aber lass dich davon nicht abschrecken.«
Raoul holte tief Luft. »Ich finde, sie hat viele gute Seiten. Sie … sie ist in der Tat geradezu betörend.« Erstarrte sie, als er das sagte? Jetzt war er nicht mehr so selbstsicher. »Ihr seid euch sehr ähnlich, Helena. Zwei unglaublich aparte Frauen, und ich bin dankbar dafür, dass ich euch habe kennenlernen dürfen.«
»Und sie ist zwanzig Jahre jünger. Hör auf zu geifern, Raoul«, scherzte sie. »Nimm dich vor Caroline in Acht, mit ihr ist nicht zu spaßen.«
Er lachte matt. »Ich habe den Eindruck, dass Caroline eine recht empfindliche Person ist. Sie sieht so stark aus, aber es verbirgt sich vermutlich sehr viel unter der Oberfläche.«
»Stell dir vor, dass du … Entschuldige, aber ich hätte nicht gedacht, dass dir das aufgefallen wäre, so wie ihr gestritten habt.« Sie unterbrach sich und berührte seine Wange mit ihrer Wange. »V erzeih, Raoul. Ich habe das Gefühl, dass ich dir gegenüber in all den Jahren nicht gerecht gewesen bin. Dass es so lange dauern würde, bis wir uns kennenlernen. Was Caroline angeht, so braucht sie wirklich mehr Stabilität im Leben. Und wenn du eine Person sein willst, die für sie da ist, dann bin ich nur dankbar.«
Er spürte, wie ihm leichter ums Herz wurde. Dieses Gespräch verlief so viel glatter, als er zu hoffen gewagt hatte.
»Du ahnst nicht, wie schön es ist, endlich so entspannt mit dir sprechen zu können. Ich wusste nicht, wie ich meine Gedanken formulieren sollte und wie du sie aufnehmen würdest, aber jetzt brauche ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Du bist so klug und hast Dinge lange vor mir eingesehen. Du bist mir sehr wichtig, Helena, weißt du das? Es würde mir so schwerfallen, dich nach all unseren gemeinsamen Jahren zu verlieren.«
Er kniff die Augen zusammen, wie er das immer tat, wenn er versuchte, etwas zu formulieren. »W enn man das gefunden hat, was einem im Leben etwas bedeutet, wenn man die Möglichkeit hat zu wählen … dann muss man sich einfach auf seine Intuition verlassen. Dieses unerhörte Glück lähmt mich fast. So stark zu empfinden und zu wissen, dass das, was man empfindet, das einzig Wahre ist, die vollkommene Bestätigung des Lebensinhalts.«
Wie sehr sie sich nach diesen Worten gesehnt hatte. Jetzt endlich hörte sie ihn das alles sagen. Helena war so gerührt, dass sie selbst nichts sagen konnte. Raoul war ebenso verwirrt darüber, dass er es endlich wagte, sich zu seinen Gefühlen zu bekennen. Und darüber, dass ihm Helena tatsächlich zuhörte. Aber das schwierigste Bekenntnis stand noch aus.
»Das war nichts, was ich geplant hatte. Ganz und gar nicht. Es ist klar, dass es für uns alle zu Anfang etwas merkwürdig sein wird. Dessen bin ich mir bewusst. Es ist eine große Umstellung, und gleichzeitig … gleichzeitig will ich um nichts in der Welt darauf verzichten … «
Er verlor den Faden, als er die beiden Frauen entdeckte, die in der schweren Abenddunkelheit gegen den Wind ankämpften. Sie gingen nebeneinanderher, ohne sich zu berühren. Carolines Locken flatterten im Wind. Sie hatte den Kragen hochgeklappt und ihr Gesicht tief im Mantel vergraben. Louise ging mit gesenktem Kopf einen halben Schritt hinter ihr her.
Helena und Raoul schauten zusammen nach draußen und betrachteten sie. Aber sie sahen verschiedene Dinge.
»Ich empfinde eine so große Liebe, Helena. Ich bin so wahnsinnig verliebt, dass ich bereit bin, alles zu opfern, alles … «
Die Tür knarrte. Helena und Raoul drehten sich gleichzeitig um. Dort stand Anna mit hängenden Armen und halb offenem Mund.
»Anna!«, keuchte Helena und befreite sich aus Raouls Armen. Raoul drehte sich um, stemmte die Arme
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