Der Klang des Verderbens
übernehmen, oder?«
Er nickte langsam. Sie sah, wie er sich auf seinem Bürostuhl zurücklehnte, und ihr fiel auf, dass sein sonst so perfekt gestyltes Haar verwuschelt war; er trug ein einfaches Baumwoll-T-Shirt statt eines maßgeschneiderten Designeranzugs. Sonntags kleideten sich anscheinend auch stets wie aus dem Ei gepellte Millionäre leger. »Geht’s dir gut?«, fragte sie ihn, als sie die dunklen Ringe unter seinen Augen bemerkte, die auf schlaflose Nächte hindeuteten.
Er nickte wieder langsam und blickte auf etwas, was außerhalb des Bildschirms lag. »Ja, alles bestens.«
»Und, meinst du, du kannst mir die Namen besorgen? Alle mit Farbenblindheit, und wenn du eine spezifische Diagnose auf Deuteranopie findest, umso besser.«
»Alles klar. Ich werde sehen, was ich tun kann, und melde mich wieder bei dir.«
»Beeilst du dich?«
Er schaute auf seinen Bildschirm, als fiele ihm jetzt erst auf, dass sie von einem öffentlichen Ort aus anrief. »Wo bist du denn eigentlich?«
»Am Flughafen. Wir sind gerade aus Chicago wiedergekommen.«
»Stimmt ja. Chicago.«
»Philip, wenn wir den Namen kriegen, können wir einfach aufbrechen und diesen Kerl aufspüren, bevor er die Gelegenheit hat, noch jemanden zu töten.«
Er schüttelte den Kopf. »Einen Namen? Mit ziemlicher Sicherheit ist mehr als ein farbenblinder Mann an der Studie beteiligt.«
Rasch gab sie ihm die anderen Kriterien durch. Der Hund. Die Aufenthaltsorte. Der kürzlich verstorbene Angehörige.
»Ich weiß, dass du dich nicht hinsetzen und dir alle ihre Downloads angucken kannst, aber Dr. Cavanaugh hat gestern Morgen mit diesen Parametern schon eine Suche gestartet. Wenn du ihre Unterlagen findest und alle auf ihrer Liste ausschließen kannst, die nicht farbenblind sind, dann haben wir ihn vielleicht schon.«
Philip nickte wieder. »Alles klar, Detective, ich mach mich an die Arbeit. Gib mir ungefähr eine Stunde, dann melde ich mich bei dir, egal wie weit ich bin.«
Eine Stunde. Die sollten sie an einem internationalen Flughafen irgendwie totschlagen können. So hatten sie immerhin Gelegenheit, in einem dieser Geschäfte Wechselkleidung zu kaufen. Ronnie hatte für einen kurzen Zweitagestrip nach Los Angeles gepackt. Diese Umstände hatten sich definitiv geändert. Wer konnte schon sagen, wohin sie als Nächstes fliegen würden?
Sykes hatte das Gleiche vor. Sie gönnten sich in der Bar einen Happen zu essen, dann gingen sie ins nächstbeste Geschäft. Dulles war heutzutage ein richtiggehendes Einkaufszentrum; sie konnten sich mit allem eindecken, was sie brauchten, und stopften die neuen Klamotten zu den schmutzigen in ihr Gepäck.
Fast zwei Stunden nach ihrem Gespräch mit Tate klingelte ihr Handy. Ohne erst nach einer ruhigen Ecke zu suchen, stellte sie eine Sprechverbindung her, statt die Bildübertragung zu aktivieren. »Sloan.«
»Philip hier.«
Sie zeigte Sykes den erhobenen Daumen. »Hast du was?«
»Ja, ich glaube schon, aber ich konnte die Liste nicht auf bloß einen Namen einschränken.«
Das war wohl Wunschdenken gewesen. Selbst mit allen Suchkriterien konnte es sein, dass sie mehr als einen Verdächtigen überprüfen mussten. »Okay, in welchem Rahmen bewegen wir uns?«
»Vierundzwanzig.«
Ihr sank das Herz in die Hose. »Wirklich?«
»Ich fürchte, ja.« Er räusperte sich. »Ich konnte keine Suchergebnisse von Dr. Cavanaugh finden und habe sie auch nicht erreichen können. Also habe ich den leitenden IT -Menschen angerufen, der mir erklärt hat, wie ich meine eigene Suche starte. In Bezug auf den Hund konnte ich nicht viel machen – die Gesichtserkennung in dem Programm ist nicht für Pelzträger gemacht.«
Sie lachte, wie bestimmt von ihm beabsichtigt.
»Also habe ich mich auf die Orte konzentriert. Dabei habe ich ungefähr fünfhundert Testpersonen gefunden, die sich in den letzten sechs Monaten in Los Angeles, Chicago oder in beiden Städten aufgehalten haben.« Mit Stolz in der Stimme fügte er hinzu: »Ich habe das Programm nach Beschilderungen in den Flughäfen LAX , John Wayne, Long Beach, O’Hare und Midway suchen lassen. Mit Text kommt das Programm gut klar.«
Sehr raffiniert.
Es war verlockend, sich nur auf diejenigen zu stürzen, die sowohl in der einen als auch in der anderen Stadt OEP -Aufnahmen gemacht hatten, aber sie wusste, dass sie sich darauf nicht verlassen durften. Verdammt, sie konnten sich nicht einmal darauf verlassen, dass ihr Täter überhaupt unter diesen fünfhundert war. Wenn er
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