Der Klang des Verderbens
forderte er sie auf zurückzukommen, doch sie achtete nicht auf ihn.
Verdammt.
Sie hob einen Finger, damit er sich geduldete, dann berührte sie wieder das Display ihres Tablets. Unruhig wandte er den Kopf, schaute in den Garten des Nachbars hinter ihnen, spähte auf die Straße, durch die Zaunlatten, dann wieder zu ihr.
Wieder warteten sie endlos lang, doch schließlich schüttelte sie mit einem Gesichtsausdruck größter Enttäuschung den Kopf. Mit einer Geste schlug sie vor, sich der Haustür zu nähern, doch sein Kopfschütteln duldete keinen Widerspruch.
Schon jetzt waren sie ein immenses Risiko eingegangen. Sie konnten nicht einfach zu der verdammten Tür spazieren und riskieren, dass sie den O’Neals ihre Anwesenheit verrieten. Sie mussten einfach auf den Haftbefehl warten.
Ronnie sah aus, als würde sie diskutieren wollen, doch schließlich nickte sie und folgte ihm zurück auf das Nachbargrundstück. Sie redeten kein Wort, bis sie schließlich wieder beim Zivilfahrzeug standen, wo sie brummte: »Ich hätte noch näher rangekonnt.«
»Du hättest auch durch die Fensterscheibe in der Haustür entdeckt und erschossen werden können. Es reicht, Veronica. Wir haben es versucht. Jetzt warten wir ab.«
Sie schnaufte, konnte sich dem jedoch nur fügen.
Als sich die örtlichen Polizisten erkundigten, ob sie Erfolg gehabt hätten, musste Jeremy zugeben, dass das nicht der Fall war. Zum Glück erfuhren sie jedoch, dass in der Zwischenzeit der Haftbefehl erlassen worden war. Verstärkung war bereits unterwegs, ein Sondereinsatzkommando war in Bereitschaft. In spätestens zwanzig Minuten sollten sie hineingehen können.
Es waren lange zwanzig Minuten, während derer sie ununterbrochen das Haus beobachteten und auf jegliche Geräusche lauschten. Er und Ronnie stiegen weder in ihr eigenes Auto noch in das der Lincolner Polizisten, die ihnen die Rückbank anboten. Sie blieben draußen im kalten Nachtwind stehen – besorgt, nachdenklich und mit der Hoffnung, dass das Ganze bald vorbei wäre.
Dann bogen vier weitere Autos in die Straße, schalteten die Scheinwerfer ab und hielten hinter ihnen. Acht uniformierte Polizisten stiegen aus, alle bewaffnet und mit ernstem Gesichtsausdruck. Ihnen war mitgeteilt worden, wie gefährlich dieser Mann war.
Jeremy war nicht sicher, ob Aaron O’Neal schießen würde, wenn er begriff, dass sie ihm auf die Schliche gekommen waren, oder ob er noch genug Respekt vor einem Menschenleben hatte und diejenigen verschonen würde, die er nicht für den Tod seiner Neffen verantwortlich machte. Offen gestanden glaubte er nach dem Vorfall im Chicagoer Schlafzimmer und dem Kopfschuss auf Sarah Needham, dass in jener Nacht auch der letzte Rest Menschlichkeit in diesem Mörder ausgelöscht worden war.
»Ich bin Detective Young«, stellte sich einer der Männer vor. Das war der leitende Detective, mit dem Ronnie vorhin telefoniert hatte. »Sind Sie so weit?«
Jeremy nickte, genau wie Ronnie.
»Wir gehen zuerst rein«, sagte Young. »Dann teilen wir uns auf, die eine Hälfte sichert das Erdgeschoss, die anderen vier gehen nach oben.«
»Ich vermute, dass er sich oben aufhält«, sagte Jeremy. Wenn sich ihr Zielobjekt im Haus befand und unten wäre, dann hätten sie sein Signal empfangen.
»Also gut. Ich führe das Team nach oben an. Sie beide bilden die Nachhut.«
Jeremy wusste sein Entgegenkommen zu schätzen. Technisch gesehen hätte Young sie draußen warten lassen können, bis sie den Mann in Gewahrsam genommen hatten, aber offensichtlich wollte er auf ihre Unterstützung nicht verzichten.
»Verstanden«, sagte Ronnie, streifte ihre Jacke ab und nahm die Waffe aus dem Holster.
Jeremy tat es ihr nach. Lautlos huschte das gesamte Team die Straße entlang. Vor der Haustür gab Young mit erhobener Faust den Befehl zum Stehenbleiben, dann winkte er zwei seiner Männer herbei, die einen kurzen Rammbock trugen. Mit den Fingern zählte er von fünf herunter, und bei Null nickte er seinen Männern auffordernd zu.
Dann ging alles ganz schnell. Beim zweiten Stoß gab die Tür nach, das schwarz gekleidete Team stürmte hinein und rief laute Warnungen.
»Hier ist die Polizei! Aaron O’Neal, wir haben einen Haftbefehl gegen Sie!«
Das Team teilte sich auf die zwei Stockwerke auf, genau wie Young angeordnet hatte. Jeremy und Ronnie stürzten ihrer Gruppe hinterher zur Treppe, hörten die Schreie einer Frau und das wilde Bellen eines Hundes. Lichter gingen an, Polizeibeamte brüllten in anderen
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