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Der Klang des Verderbens

Der Klang des Verderbens

Titel: Der Klang des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Parrish
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Es konnten auch zehn, sogar zwölf Meter sein. Sie wussten es einfach nicht genau, da O’Neal nicht zu Hause gewesen war, als sie ihn damit gesucht hatten.
    Sie schaute nach links … Familien, Kinder, alte Menschen, alle dicht gedrängt. Mindestens einhundert Leute in Reichweite, vielleicht zweihundert, die alle zum Grabmal des unbekannten Soldaten blickten und darauf warteten, dass es losging. Sie rückten dichter zusammen, als mehr Menschen von hinten nachschoben. Bald würden es dreihundert sein. Oder noch mehr.
    Dann guckte sie nach rechts zum Abhang. Ganze Menschentrauben strebten den Hügel zu der Versammlung hinauf.
    Wieder auf den Bildschirm. Niemand lief herum. Nur leichte Bewegungen, Geschiebe und Gedränge.
    Er musste auf ihrer linken Seite sein.
    Sie holte ihr Handy aus der Tasche und klickte auf Sykes’ Icon. Aus den Augenwinkeln sah sie sein Gesicht auf dem Handy, doch ihr Hauptaugenmerk war auf ihre Umgebung gerichtet, denn sie suchte fieberhaft nach ihrer Zielperson.
    »Er ist hier«, teilte sie ihm aufgeregt mit.
    »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher. Ich bin auf dem Weg hinter der Menschenmenge, auf der Hügelkuppe neben dem Parkplatz. Er steht irgendwo zwischen mir und dem Grabmal und schaut auf Dutzende Köpfe und Schultern, die sich vor ihm drängen … ungefähr in der zehnten Reihe von vorne.«
    »Schau weiter auf den Bildschirm. Ich komme. Beschreib mir, was du siehst.«
    »Größtenteils Rücken. Ähm … ein weißer Mann mit grauer Baseballmütze, der Schirm zeigt nach hinten. Eine blonde Frau, Pferdeschwanz, rosa Jacke.« Konzentriert suchte sie nach weiteren Details. »Ein schwarzes Pärchen, er hat den Arm um ihre Schultern, sie trägt was Hellblaues.«
    Durchs Telefon konnte sie hören, dass er sich durch die Menge schob. Er sagte etwas, und dann antwortete eine andere Stimme – Daniels.
    »Red weiter«, forderte er sie auf.
    Sie wandte den Blick nicht ab und drängte O’Neal innerlich, sich ein bisschen zu bewegen, sich irgendwas anderes anzuschauen. Jemand Auffälligeres.
    »Also gut, hier ist ein junger Mann, der sich mit jemandem unterhält. Ich sehe sein Profil – ungefähr zwanzig Jahre alt. Lateinamerikaner. Goldene Ohrringe, breites Lächeln. Anscheinend hat er noch ein Kind dabei, vielleicht einen Bruder.«
    Die Szene auf dem Bildschirm änderte sich, als derjenige, durch dessen Augen sie sah, den Kopf drehte. »Da ist ein … oh Gott, Jeremy, ich kann dich sehen!«
    »Was? Wo?«
    »Ich meine,
er
kann dich sehen! Du bist ungefähr sechs Meter entfernt und schaust genau zu ihm. Himmel, er dreht sich um, duckt sich, versteckt sich! Er hat dich wiedererkannt!«
    Schlimmer noch. Er versteckte sich nicht bloß. Er wollte verschwinden und bewegte sich gegen den Menschenstrom.
    Sie sah, wie er Leute beiseitedrängte, wie er jäh über irgendetwas stolperte, doch er fing sich wieder.
    Dann geriet noch etwas in sein Blickfeld: ein Golfmobil, mit zwei Menschen darin, beide nicht sehr deutlich.
Noch
nicht.
    Sie ließ das Tablet auf den Boden des Golfmobils fallen, sprang hinaus und holte in einer flüssigen Bewegung ihre Glock aus dem Holster. Als sie herumwirbelte, entdeckte sie ihn – O’Neal –, der gerade aus der Menge herausplatzte. Sie erkannte ihn sofort – er hatte sich nicht rasiert, sein Gesicht wirkte leicht ungepflegt, und er hatte sich das graue Haar schwarz gefärbt, doch er war es. Kein Zweifel.
    Er sah sie. Ronnie hob die Waffe. »Stehen bleiben, O’Neal, Hände hoch!«
    Die Menge bemerkte sie, jemand schrie auf, andere stimmten ein. Wie immer in solchen Situationen breitete sich rasch Panik aus, die Leute rempelten und stießen sich gegenseitig beiseite, ohne zu wissen,
wohin
– sie rannten einfach los … genau zwischen Ronnie und den Verdächtigen.
    Sie hatte keine freie Schusslinie. Er wusste das und ließ es darauf ankommen.
    Er rannte auf den Abhang zu.
    Sie nahm die Verfolgung auf, schubste Männer, Frauen und Kinder aus dem Weg und schrie nach Sykes und Daniels. Den Blick hielt sie fest auf den künstlich aussehenden Schopf kurz vor sich gerichtet. Er versuchte offensichtlich die Menschengruppe zu erreichen, die hochgewandert war und jetzt kehrtmachte und wegrannte. Wenn er sie erreichte, würde er mit ihnen verschmelzen und viel schwieriger zu fassen sein.
    Sie war ihm so nah … so nah. Nah genug, dass sie sich mit einem Hechtsprung von der Hügelkuppe stürzte und inständig hoffte, ihn zu erwischen.
    Sie erwischte ihn.
    Mit einer harten Landung

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