Der Klang des Verderbens
sie Jeremy an, doch der antwortete nicht. Sie hinterließ ihm eine Nachricht, dass sie auf dem Heimweg war … und ging fest davon aus, dass er ebenfalls dort auftauchen würde, um sein Versprechen mit dem mehrtägigen Aufenthalt im Bett einzulösen. Plus einem Lasagne-Ausflug nach Arlington.
Als sie sich gerade den Mantel anzog, klingelte das Telefon. In der Annahme, dass es Sykes war, hielt sie es sich ans Ohr. »Bin schon unterwegs.«
»Veronica?«
Oh. Das war nicht Sykes. Sie aktivierte die Bildübertragung. Philip Tates Gesicht erschien auf dem Display. »Tut mir leid. Ich dachte, es wäre jemand anders.«
»Kein Problem.«
Er riss keinen Witz, fragte sie nicht, ob sie Sykes erwartet hatte. Sein Gesichtsausdruck wirkte zerstreut und ziemlich ernst.
»Wir müssen uns treffen.«
»Okay, ähm, wie wär’s mit Montag? Gleich nach Weihnachten?«
»Nein, jetzt, Veronica. Ich muss dich wirklich dringend sprechen.«
Sie sah auf die Uhr. Es war halb sieben, der Tag war lang gewesen und hatte ereignisreichen, körperlich und seelisch schlauchenden anderthalb Wochen die Krone aufgesetzt.
»Es ist wichtig. Bitte.«
»Ist ja gut, ist ja gut. Wo?«
»Kannst du herkommen?«
»Nach Bethesda?« Vor der Vorstellung graute es ihr. Da jetzt alle die Stadt verließen, wäre der Verkehr der reinste Albtraum.
»Ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht wirklich wichtig wäre«, beharrte er. »Es geht um deinen Fall.«
»O’Neal?« Sie horchte auf. »Du hast doch gehört, dass wir ihn geschnappt haben, oder?«
»Ja, hab ich. Aber O’Neal meine ich nicht. Ich rede von deinem
anderen
Fall.«
Sie begriff sofort. Er hatte etwas für sie bezüglich der Morde in Richmond und Philadelphia. Etwas Neues – mit dem es ihr vielleicht gelang, diesen Mörder zu fassen? Ihr Herz pochte, und ihr ganzer Körper ging in Alarmbereitschaft.
»Was ist es denn?«
Abrupt riss Philip den Blick vom Bildschirm los und schaute in eine andere Richtung – vielleicht zur Bürotür? –, als wäre er von einem seltsamen Geräusch überrascht worden.
»Philip, ist alles in Ordnung?«
Er schaute sie nicht an. Als er weitersprach, dämpfte er die Stimme. »Komm einfach her. Bitte. Die Sicherheitsleute sind schon weg, im ganzen Gebäude sind über die Feiertage die Schotten dicht. Ruf mich an, wenn du da bist, dann komme ich runter und lass dich rein.«
Nervosität durchfuhr sie. Philips Stimme war fast nur noch ein Flüstern.
Warum, wenn das Gebäude doch leer war?
»Philip, wenn irgendwas nicht stimmt, ruf die 911.«
»Nein, nein. Keine Polizei. Alles in Ordnung, mir ist wohl einfach bloß … ein bisschen mulmig«, erwiderte er mit einem gezwungenen Lachen. »Die Hütte ist ziemlich gruselig, wenn man hier abends ganz allein hockt. Zu viele Geschichten über verrückte Wissenschaftler in meinem Kopf.« Er schaute sie wieder an. »Ich warte auf deinen Anruf.«
»Bei dem Verkehr dauert es wahrscheinlich eine ganze Weile.«
»Alles klar.«
Ohne sich zu verabschieden, legte er auf. Ronnie, deren Bedenken und Sorge um ihn lediglich von ihrer Neugierde übertroffen wurde, was für Informationen er besaß, stand sofort auf. Am Ausgang nickte sie den Jungs von der Nachtschicht ein letztes Mal zu und erwiderte ihre Festtagswünsche. Auf dem Weg zum Auto versuchte sie es noch einmal bei Sykes. Wieder erwischte sie nur den Anrufbeantworter.
»Ich habe gerade einen Anruf von Philip Tate bekommen. Irgendwas stimmt da nicht – er hat mich gebeten, nach Bethesda rauszukommen. Er meinte, er hätte Infos zu den Morden im Sommer. Irgendwie wirkte er verängstigt … oder ein bisschen nervös. Ruf mich an.«
Sie stieg in ihren Wagen und verließ die Stadt. Da die Highways und der Stadtring wahrscheinlich völlig verstopft waren, blieb sie bis zum Rockville Pike auf der Wisconsin Avenue, und das erwies sich als gute Entscheidung. Sie kam relativ gut durch, auch wenn es sehr viel länger dauerte als sonst.
Um halb acht rief Sykes sie schließlich zurück. Sie schaltete den Anruf auf die Freisprechanlage ihres Autos und drückte auf einen Knopf am Lenkrad, um abzunehmen. »Das wurde ja Zeit.«
»Hey, wo bist du gerade?«
»Im Auto, auf dem Weg nach Bethesda.«
»Was? Warum um alles in der Welt denn das?«
»Hast du meine Nachricht nicht gekriegt?«
»Nein, sorry, ich bin gerade erst aus der letzten Besprechung rausgekommen, habe deinen Anruf gesehen und dachte, ich ruf dich einfach schnell zurück. Was ist denn los?«
Sie erzählte
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