Der Klang des Verderbens
Muskeln verrieten ihr, dass er die Fäuste ballte und sie nur allzu gern zum Einsatz gebracht hätte. Dieser verdammte Dummkopf Wilson, der ja unbedingt rausbrüllen musste, was er unterm Tisch getrieben hatte! Kleines Arschloch.
»Denken Sie nicht mal dran«, brummte Gutierrez, die anscheinend Sykes’ drängendes Verlangen bemerkte, jemandem eine reinzuhauen. »Kaum zu glauben, aber es sieht so aus, als würden wir mit heiler Haut hier rauskommen.«
Ronnie stimmte ihr zu. Und nicht nur, dass sie es ohne jegliche Gewalt hinausschafften, sondern sie hatte auch noch genau das gekriegt, weswegen sie hergekommen waren. Alles in allem war es ein sehr erfolgreicher Abend. Viel Neues hatten sie zwar nicht erfahren, aber ein paar ihrer Hypothesen hatten sich auf jeden Fall bestätigt. Es hatte sie eine Minute der Erniedrigung gekostet; diese Jeans würde sie auf jeden Fall verbrennen und sich nachher in der Hotelbadewanne gründlich einweichen lassen, aber das war es wert gewesen.
Sie wusste jetzt, dass ihr Täter seine Beute eine Weile beobachtet hatte – lange genug, um ihn zu kontaktieren und vorzuwarnen. Außerdem war das Ganze tatsächlich ein Racheakt für irgendwelches Unrecht gewesen, das ihm oder jemandem, der ihm nahestand, widerfahren war; was sonst sollte »Kindermörder« bedeuten? Und er kannte Angelos Herkunft und, nach dem Spruch über Einwanderer zu urteilen, auch seinen familiären Hintergrund.
Gar nicht schlecht für ein paar Minuten Arbeit. Auch wenn sie sich dabei von einem miesen Schwein hatte begrapschen lassen müssen.
Gott sei Dank hatte Sykes nicht unter den Tisch sehen können. Sie wusste nicht, ob er sich sonst während dieses kleinen Übergriffs hätte beherrschen können. Jetzt musste sie ihn jedenfalls mit Nachdruck zur Tür schieben, um ihn hier hinauszubekommen.
Seltsam, dass er glaubte, ihre Ehre verteidigen zu müssen. Das hatte sie noch bei keinem Mann erlebt, und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass es ihr gefiel. Auch wenn sie es nicht nötig hatte – und mehr als ein männliches Aufplustern nicht zulassen würde –, war es dennoch nett, dass er den Ritter in strahlender Rüstung spielen wollte.
Sie lächelte beinahe, als sie sich zum Ausgang vorarbeiteten. Seit ihrer Ankunft hatte sich der Club beträchtlich gefüllt, ständig mussten sie jemandem ausweichen und sich um andere Gruppen und Pärchen herumschlängeln. Sie bekam mit, wie Sykes ein paar platte Anmachen abwies und Gutierrez bewusst den Blick von den illegalen Drogenmachenschaften abwandte, die an jedem zweiten Tisch stattfanden. Ein paar Stunden später hätten sie es garantiert auch vermeiden müssen, Leute wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu verhaften, denn wenn ein halbes Dutzend dieser Pärchen sich nicht am Ende des Abends schamlos in den Ecken vergnügte, würde sie ihr Holster fressen.
»Nur noch ein paar Schritte«, murmelte sie und freute sich bereits darauf, frische Luft zu atmen, die nicht von Alkohol, Drogen, schwerem Parfüm und Pheromonen verseucht war. South L.A. duftete zwar nicht gerade nach Rosen, aber besser als hier drin musste es draußen allemal sein.
Als sie es hinausgeschafft hatten, sahen sie die Schlange vor dem Eingang – sie waren genau zur rechten Zeit gekommen. Sie bogen ab und gingen zur Rückseite des Gebäudes, und als Ronnie gerade anfangen wollte, den anderen zu erzählen, was sie von Wilson erfahren hatte, hörte sie ein Flüstern hinter sich. Nichtsahnend warf sie einen Blick über die Schulter … und war schlagartig tief beunruhigt.
Schon auf ihrem Weg zum Ausgang hatte Jeremy bemerkt, dass der Gator ein paar seiner Männer auf sie angesetzt hatte. Allerdings nicht die beiden, die vor Ronnie bei ihm gesessen hatten. Diese drei waren bereits vor der Ankunft ihres Bosses im Club gewesen. Sie hatten ihre Rolle deutlich gemacht, indem sie sich in den hintersten Ecken des Sitzbereichs wie Wachen aufgestellt hatten, ohne den Kopf des Drogenbosses auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Als Ronnie von seinem Tisch aufgestanden war, hatte der Gator dem Vordersten nahezu unmerklich zugenickt und ihnen somit die Erlaubnis gegeben, den unliebsamen Gästen zu folgen.
Jeremy war sofort klar, was passieren würde. Eine Auseinandersetzung im Club wollte der Gator nicht. Das wäre zu gefährlich gewesen. Doch er hatte keinerlei Bedenken, ihnen einen kleinen Trupp nach draußen hinterherzuschicken. Wahrscheinlich mit der Anweisung, sich ein bisschen auf die Brust
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