Der Klang des Verderbens
hätte, er hätte trotzdem nicht anders gehandelt. Nicht wenn er sie dadurch hätte retten können.
»Ich bin in dich verliebt, Veronica«, gestand er ihr, obwohl sie vermutlich noch nicht bereit war, das zu hören.
Sie erstarrte. Nein, noch nicht bereit. Es war ihm piepegal.
»Ich wollte dir das bloß sagen, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe.«
»Halt den Mund, Sykes«, brummte sie, ohne ihn allerdings wegzustoßen. Stattdessen schmiegte sie sich enger an ihn und stellte sich wieder auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, diesmal mit geöffneten Lippen, mit Zunge und voller Leidenschaft.
Also gut. Sie konnte ihn nicht mit Witz oder Wut ablenken, also versuchte sie es mit Sex.
Doch damit konnte er leben.
Als sich die Tür zu ihrem Stockwerk öffnete, tauschten sie bereits fieberhaft tiefe, feuchte Küsse aus. Glücklicherweise wollte niemand in den Aufzug steigen, und es war auch sonst keiner zu sehen. Auf dem ganzen Weg durch den Flur konnten sie die Finger nicht voneinander lassen, blieben alle paar Schritte stehen, um mit Lippen und Händen übereinander herzufallen, bis sie endlich ihr Zimmer erreichten.
Er drückte sie mit dem Rücken gegen die Tür und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen, wie er es vorhin bereits hatte tun wollen, atmete ihren Duft ein, studierte jeden Quadratzentimeter ihres Körpers. Sie holte ihre Schlüsselkarte aus der Tasche und zog sie über das Schloss. Als es klickte, drückte er die Klinke herunter, sie taumelten in ihr Zimmer und griffen einander sofort nach den Kleidern.
Immer wieder nahm er sich vor, eines Tages ganz langsam und zärtlich mit ihr zu schlafen. Er wollte sich Zeit lassen, jede Stelle an ihr kosten, sie warten lassen und sie dann fürs Warten belohnen. Doch immer wenn es dann so weit war, waren sie beide so heiß aufeinander, dass sie jegliche Zurückhaltung über Bord warfen und an Ort und Stelle übereinander herfielen, und wenn es im Stehen war.
Genau das taten sie jetzt. Sie hatten Sex an der Wand. Das Bett stand nur zwei Schritte entfernt, aber sie ließen sich gar nicht erst darauf fallen, sondern fanden einander und vertrieben gemeinsam ihre Unruhe und Anspannung und Angst. Wie immer war es wild-wahnsinnig-wunderbar, komplett kopflos und triebgesteuert. Eindeutig keine Zärtlichkeit. Eindeutig kein Warten.
Aber die Nacht war lang, und er war ein geduldiger Mann.
Bei Veronica Sloan war das weiß Gott notwendig.
So viel also zum Thema nur Arbeit und kein Vergnügen und kein Sex mit Sykes während eines Einsatzes.
Ronnie stützte sich auf einem Ellbogen auf, betrachtete den Mann, der neben ihr schlief, und wartete darauf, dass die Reue und die Selbstvorwürfe einsetzten. Ihr wurde eng um die Brust, wenn sie an ihre
allererste
gemeinsame Nacht dachte – jene Nacht, in der ihr Partner überfallen worden war. Sie wusste jedoch, dass ihre Reaktion weder logisch noch gerechtfertigt war.
Sie hatte jene Nacht, jenen Überfall für ihren Widerwillen verantwortlich gemacht, die Sache mit Sykes einen Schritt weiter gehen zu lassen. Es stimmte, wahrscheinlich spielte dieser Vorfall eine Rolle. Sie war immer noch wütend auf sich, dass sie nicht da gewesen war, um ihrem Partner den Rücken freizuhalten, als er mit Drogen vollgepumpt worden, in einen Hinterhalt gelockt und angegriffen worden war. Verstandesmäßig allerdings wusste sie auch, dass das alles ebenso passiert wäre, wenn sie zu Hause geblieben wäre und allein in ihrer Wohnung in D.C. in ihrem Bett geschlummert hätte. Daniels war nun mal der, der er war. Er war Stammgast in zwielichtigen Kneipen. Er ertränkte seinen Kummer in Bier. Er schien mehr zu wollen, als sie geben konnte, und alles Mögliche hätte ihn an jenem Abend bewegen können, flüssigen Trost zu suchen.
Also nein, sie gab sich eigentlich nicht die Schuld an dem, was passiert war. Insgeheim wusste sie nämlich, dass ihre Weigerung, Sykes mehr als ihren Körper preiszugeben, viel tiefere Gründe hatte als die Ereignisse jener Nacht in Richmond.
Seit fünf Jahren nahm sie sich nun vor, ihr Herz zukünftig vor allzu großem Kummer zu schützen. Die Menschen, die bereits einen Platz darin hatten, durften bleiben, aber jeden, der noch einzudringen versuchte, würde sie abweisen. Sorry, kein Raum in der Herberge, keine Chance, über den Zaun zu klettern oder sich unter der Mauer hindurchzugraben. Genau das hatte sie sich auf den unzähligen Gedenkfeiern für Familienangehörige geschworen, bei denen um die Opfer getrauert wurde,
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