Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
alles schon lange nicht mehr gut genug hier.«
»Vielleicht ist er ja schon da!« schlug H.R. vor. »Ist ja auch so viel interessanter, was Freddie macht, ja?! Dabei war das nämlich damals so, daß ich bei einem Freund in Mexiko-Stadt übernachtet… «
»Können wir jetzt mal abrechnen?« sagte Erwin zu Frank. »Er wird schon auftauchen, mach dir mal keine Sorgen, Freddie ist immer mal hier, mal da, der taucht bald schon wieder auf. Ist doch auch egal, kannst ja auch so erstmal bei uns wohnen bleiben!«
»Wohnt der bei uns?!« sagte H.R. »Scheiße Mann, wenn Freddie wiederkommt, dann haben wir die gleich zweimal, der sieht doch genauso aus wie Freddie, da kommt man doch total durcheinander!«
»Man spricht nicht über Anwesende in der dritten Person«, sagte Frank. »Und was heißt überhaupt H.R.?«
»Sagt ihr es ihm!« sagte H.R. und lehnte sich in seinem Stuhl weit zurück. »Ich bin es leid, das immer wieder erklären zu müssen, das ist ja wie im Interview hier!«
»Am Arsch«, sagte Erwin.
»Ja«, sagte Frank, »egal, laß uns abrechnen.« Er setzte sich an den Tisch und zog die darauf abgelegten Palettenböden zu sich heran. »Dies ist der Bestand gewesen, als ich den Kram übernommen habe«, sagte er zu Erwin. »Das sind vierzehn Paletten a vierundzwanzig Bierdosen gewesen plus eine mit sechzehn, da fehlten schon acht. Was vorher verkauft wurde, hat Klaus, ich habe kein Wechselgeld und auch sonst nichts übernommen.«
»Das sind aber siebzehn Paletten und nicht fünfzehn«, bemerkte Erwin.
»Ja, dazu kommen wir gleich, ich habe nämlich noch zwei dazugekauft, als der Scheiß alle war.«
»Ich hatte zwanzig in der Metro gekauft, dann müßten ja draußen noch fünfPalettenböden liegen«, sagte Erwin.
»Eher sechs, denn Kar! hatte für Klaus ja auch noch eine Palette gekauft«, gab Frank zu bedenken.
»Eierdieb!« rief H.R. und riß dazu eine Faust hoch. »Eierdieb! «
»Ich geh die mal nachzählen oder suchen oder was…« sagte Erwin.
»Nein«, sagte Frank, »das brauchst du nicht. Ich weiß auch nicht, ob und wo Klaus die aufbewahrt hat, oder ob die da schon aufräumen oder was.«
»Die Putze kommt erst morgen früh«, warfH.R. ein.
»Ich geh mal gucken.«
»Nein«, sagte Frank. »Machst du nicht.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich das als Beleidigung auffassen würde. Ich hab dir vorhin Geld gegeben wegen der Miete und so weiter, und da habe ich mir auch nicht irgendwelche Beweise zeigen lassen. Und wenn ich dir sage, daß das der Bestand gewesen ist, dann ist das der Bestand gewesen.«
»Okay«, sagte Erwin.
»Also«, fuhr Frank fort, »dann dreihundertsechsund-dreißig plus sechzehn plus achtundvierzig sind insgesamt vierhundert Bierdosen, davon haben wir vier selbst getrunken, das sind dann dreihundertsechsundneunzig Bierdosen mal zwei Mark sind siebenhundertzweiund-neunzig Mark Umsatz. Und jetzt die Gewinnermittlung!«
»Wieso Gewinnermittlung?« sagte Erwin.
»Weil wir den Gewinn Eifty-Eifty teilen werden«, sagte Frank. »Oder nicht?«
Der Bassist von Dr. Votz hustete, schnaubte und wälzte sich hin und her. »Ruhig, Martin«, sagte Chrissie, »bleib erstmal liegen.«
Martin setzte sich auf und blickte sich um. Dann lehnte er seinen Oberkörper gegen die Wand und schlief wieder ein.
»So ist es gut«, sagte Chrissie.
»Da bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich gut ist, Chrissie«, sagte Karl, aber Chrissie beachtete ihn gar nicht.
Es entstand eine kurze Gesprächspause. Dann sagte Erwin: »Okay.«
»Genau«, sagte Frank, der sich selbst darüber wunderte, daß er hier so forsch auftrat und damit auch noch durchkam. »Also: siebenhundertzweiundneunzig Mark Umsatz. Du hast dreihundertzweiundfünfzig Bierdosen für siebenundvierzig Pfennig gekauft … «
»Plus Mehrwertsteuer!« rief Erwin. »Ja, aber du hast doch Kneipen, oder nicht?« »Du hast Kneipen, du hast Kneipen«, äffte Erwin ihn nach. »Wie das schon klingt. Als wenn man Millionär wäre oder was… !«
»Ist doch egal, aber wenn du Kneipen besitzt … « »Kneipen besitzt man nicht, die betreibt man.« »Okay, jedenfalls kannst du da die Rechnung zu den Betriebskosten dazutun und dann kriegst du die Mehrwertsteuer doch wieder.«
»Hast du eine Ahnung, Kerle! Ich tu doch keine Metrorechnung in die Buchführung, wo dann Schultheissdosen drauf sind, die lachen mich doch aus beim Finanzamt, die reißen mir doch den Arsch auf… «
»Okay, also plus dreizehn Prozent, das sind dann ungefähr zweiundfünfzig
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