Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
»Trotzdem ist das irgendwie komisch. Von wem hattest du das jetzt mit der Party noch mal? Und wieso spielt der Plattenspieler weiter, obwohl die Platte zu Ende ist? Da geht doch normalerweise immer der Arm hoch.«
»Ha, der Arm hoch, das ist gut«, sagte Martin.
»Wer weiß, was hier für ein Scheiß läuft«, sagte Kar!. »Von wem hattest du das nochmal? Edith?«
»Edith? Wieso Edith?« sagte Martin. »Wieso denn jetzt gerade die? Die redet doch schon seit ewig nicht mehr mit mir. Das finde ich aber gruselig, daß du jetzt mit Edith anfängst! «
»Reg dich ab, war doch nur so ‘ne Idee!«
»Laß uns abhauen, was weiß ich, irgend ‘ne Frau war das. Oder H.R. oder so.«
Frank war schon auf dem Weg zur Tür. Er hatte keine Lust mehr.
»Warte, wir kommen mit«, rief Kar!. »Bloß schnell raus hier, hier stimmt irgendwas nicht. Und nichts anfassen, Fingerabdrücke!«
»Jetzt hör aber mal auf«, sagte Martin, »jetzt übertreibst du aber, wir haben doch nichts verbrochen, und selbst wenn, wir sind drei, wir können uns doch gegenseitig ein Alibi geben.«
Sie liefen schnell die Treppen hinunter, und gerade als sie durch die Tür zum Hof gingen, tauchte Chrissie vor ihnen auf.
»Chrissie!« rief Martin, als er sie sah. »Chrissie hatte mir das erzählt! Chrissie war das!«
»Ha!« sagte Chrissie und schaute sie nicht einmal an, als sie an ihnen vorbeiging. »Auf einmal gibt’s mich wieder, oder was?«
Sie verschwand durch die Tür. Karl, Martin und Frank standen draußen und sahen der Tür dabei zu, wie sie langsam ins Schloß fiel.
»Scheiße, wie ist die denn drauf!« rief Karl und sprang vor, um die Tür noch zu erwischen, aber es war zu spät.
»Laß uns abhauen«, sagte Martin.
»Wie, laß uns abhauen? Was ist das denn für eine Haltung, laß uns abhauen?!«
»Wieso, ich dachte, das wollten wir gerade machen?«
»Kann ja sein, daß wir das machen wollten, aber jetzt ist Chrissie da hochgegangen, wer weiß, was da oben los ist!«
»Was soll da schon los sein, da ist ja keiner.«
»Und warum sind wir dann so schnell wieder abgehauen?«
»Naja, was sollten wir da, wenn da keine Party ist? Außerdem haben wir Paranoia gehabt, ist doch klar.«
»Ja, natürlich haben wir Paranoia gehabt, das merkt doch jedes Kind, aber warum? Das war doch nicht irgend so eine doofe, minderwertige, unbegründete Paranoia, das war eine la sachliche Paranoia« - Karl redete sich richtig in Rage -, »das war nicht irgendeine Pipi-Paranoia, das war eine superfundierte Spitzenparanoia, da oben stimmt was nicht, das merkt doch jeder, oder ist dir etwa wohl dabei, daß Chrissie da jetzt einfach so hochgeht?«
»Was soll da schon passieren?«
»Was weiß ich, was da passieren soll, irgendwas Schlimmes natürlich, die dumme kleine Maus, echt mal, die hätte ja wenigstens mal mit uns reden können.«
»Warum ist sie eigentlich so beleidigt?« fragte Frank.
»Weil sie in Bosbach verliebt ist, und als er aufgewacht ist, hat er sie gesehen, gekotzt und nicht mal Hallo gesagt, so sehe ich das.«
»Wieso in mich verliebt? Wieso sollte Chrissie in mich verliebt sein?«
»Hast du eine bessere Erklärung?«
»Keine Ahnung, aber das muß doch nicht gleich sowas sein!«
»Für mich ist das ziemlich eindeutig. Außerdem hat sie die ganze Zeit gewollt, daß wir dich aus der Zone mitnehmen, damit du da nicht im Rinnstein endest oder was!«
»Wieso im Rinnstein? Und seit wann machst du das, was Chrissie sagt?«
»Ist doch egal, schön doof halt, aber was machen wir denn jetzt wegen Chrissie?«
»Nichts. Die kommt ja wohl ganz gut alleine klar!«
»Nee, wir müssen da jetzt hinterher.« Karl wandte sich wieder dem Klingelbrett zu. »Da steht überhaupt nichts drauf, nur so Zahlen, dann können die sich auch nicht beschweren, wenn man da klingelt!« Er drückte alle Klingeln der Reihe nach durch. »Hier, die noch und die noch, wahrscheinlich ist es eh diese, keine Ahnung …« Er machte noch eine Weile so weiter, bis es schließlich summte. Blitzschnell drückte er mit dem Hintern die Tür auf. »Hoffentlich sind wir noch nicht zu spät!« sagte er vergnügt und stürmte die Treppe hinauf.
Martin und Frank beeilten sich, hinterherzukommen. Frank hatte zwar keine Lust mehr, aber er konnte seine neuen Freunde oder Bekannten, oder was immer die beiden waren, ja nicht im Stich lassen. Wieder im dritten Stock angekommen, betraten sie dasselbe Loft noch einmal, und wie zuvor auch schon war es leer. Aber diesmal ließ Karl sich nicht
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