Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
auf eine vorsichtige Erkundung ein. Laut »Chrissie! Chrissie, du mißratenes Stück Nichtenfleisch« rufend, drang er in den dunklen Gang am Ende des großen Raumes ein, mit Marrin und Frank dicht auf den Fersen.
»Chrissie, komm da raus!« Kar! öffnete Türen, schaute hinein und knallte sie wieder zu. Bei der dritten Tür traf er beim Öffnen im Dunkeln auf etwas Weiches. Er griff um die Tür herum und schrie auf.
Martin machte das Licht an. Vor ihnen stand eine Frau im Pyjama mit einem Kartoffelschälmesser in der Hand und schrie: »Kommt mir nicht zu nahe, ich bring euch um, ich stech euch ab!« Kar! hielt sich derweil seine Hand. »Die hat mich gestochen, die Sau!« rief er.
Frank hatte jetzt dringend das Gefühl, eingreifen zu müssen.
»Stop!« schrie er. »Stop! Mißverständnis! Entschuldigung!«
Gleichzeitig hielt er Kar! fest, der Anstalten machte, sich auf die Frau zu stürzen.
»Hör auEl« rief er eindringlich. »Hör auf, hör auf, hör auf.«
»Ich hol die Polizei!« rief die Frau. »Hilfe! Hilfe!«
Kar! hatte sich mittlerweile beruhigt, er hielt sich nur noch die Hand und sog geräuschvoll Luft durch die Nase
elO.
»Mißverständnis!« rief Frank. »Entschuldigung. Wir suchen die Party!«
»Weg! Weg! Weg!« schrie die Frau und kam mit dem Messer näher. Frank und Kar! zogen sich zurück, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Ich ruf die Polizei, ihr Schweine!«
»Wir suchen doch bloß die Party!« ließ Frank nicht locker. Irgendwie mußte die Sache doch aufzuklären sein.
»Die Party ist ein Stockwerk höher«, sagte die Frau, ließ aber das Messer nicht sinken. »Raus hier!«
»Die Tür war offen!« sagte Frank.
»Die sind alle nach oben gegangen! Raus hier!«
Frank fiel auf, daß Martin nicht mehr bei ihnen war.
»Wo isr Marrin?« rief er.
»Welcher Martin?« sagte die Frau und blieb stehen.
Frank fiel auf, daß auf ihrem Pyjama lauter kleine Blumen waren.
»Bosbach«, sagte er.
»Bosbach, der Arsch, haut bloß ab!«
»Das ist alles ein Mißverständnis«, wiederholte Frank. »Wir wollten das nicht, wir wollten bloß zur Party, ehrlich!«
»Raus hier, ich will schlafen.«
Sie zogen sich ins Treppenhaus zurück. Da war es dunkel. Hinter ihnen fiel die große Stahltür ins Schloß, und sie hörten, wie ein Riegel vorgeschoben wurde.
»Oh, oh«, sagte Karl.
Jemand machte das Treppenlicht an. Es war Martin.
»Bosbach, du Pfeife! Wer war denn die Irre?«
»Scheiße, das war doch Almut.«
»Welche Almut?«
»Die von der Dieffenbachstraße.«
»Scheiße, die habe ich gar nicht erkannt, was macht die denn hier?«
»Ja, wohnen oder was?« sagte Martin. »Das ist ‘ne verdammt dumme Frage, Schmidt!«
»Wieso«, sagte Frank, der auch mal was sagen wollte, »das hier ist doch die Pfuelstraße und nicht die Dieffen-bachstraße, so gesehen …«
»Nein, die ist aus der Galerie in der Dieffenbachstraße«, sagte Karl, »die hat da eine Galerie, da hat vor kurzem mal Freddie ausgestellt.« Er besah sich seine rechte Hand. AI-muts Messer hatte auf dem Handrücken eine Kratzwunde hinterlassen. »Hätte die mich fast umgebracht. Stell dir das mal vor: Da wirst du in der Pfuelstraße in einer frem-den Wohnung auf der Suche nach einer Party von Freddies Ex-Galeristin niedergestochen und stirbst. Was für ein Scheißende!« Erzog seine Jacke wieder an. »Komisch, daß die mich nicht gleich erkannt hat, die müßte mich doch noch kennen, die haßt mich doch!«
»Ich bin lieber schnell weg eben«, sagte Martin. »Ich meme, vielleicht brauch ich die noch! Die kennt mich doch!«
»Ich bin bei der SOWIesoschon unten durch«, sagte Karl. »Bei der brauch ich sowieso nicht mehr aufzutauchen. Wollt ihr noch auf die Party?«
»Nein«, sagte Frank, »ich auf keinen Fall. Ich geh nach Hause.«
»Das steht irgendwie alles unter keinem guten Stern«, sagte Martin. »Ich geh auch mal nach Hause. Kann ich mit zu euch?«
»Ja, ist jetzt eh schon egal!« sagte Karl. »Laß uns noch ein paar Bier kaufen, und dann trinken wir die bei uns. Mein Gott, irgend wie kommt man ja den ganzen Abend zu nix!«
Und so verließen sie wieder das Hinterhaus mit den Fabriketagen und den Hof und waren wieder auf der Pfuel-straße.
»Mann ist das kalt!« sagte Bosbach. »Und das stinkt schon wieder.«
»Ja, Inversionswetterlage«, sagte Karl.
»Ich brauch mal einen Mantel demnächst, spätestens morgen.«
»Bald ist Weihnachten«, sagte Karl.
»Wieso ist bald Weihnachten? Wir haben November!«
»Kommt mir so
Weitere Kostenlose Bücher