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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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man ruhig mal fragen, wie der heißt, dachte er, sowas muß man nicht wissen, da kann man ruhig mal fragen. »Wie heißt denn der Kanal?« fragte er.
    »Das ist die Spree«, sagte Karl und sah dabei zum anderen Ufer hinüber, wo man an der regelmäßigen, dichten Reihe von Peitschenlampen erkennen konnte, daß dort die Mauer stand.
    »Wie spät ist das jetzt?« fragte Martin Bosbach und hüpfte dabei auf der Stelle auf und ab.
    »Keine Ahnung«, sagte Karl, »spät, drei, vier, keine Ahnung.«
    »Jedenfalls ist es arschkalt«, sagte Martin.
    »Wenn das irgendeine gute Party wäre, dann müßte doch mal jemand da hingehen oder da weggehen oder so, ich meine, dann müßte doch mal jemand auf der Straße sein«, sagte Karl.
    »Da ist einer«, sagte Martin und zeigte auf eine Frau, die aus dem Hofeingang eines großen Gewerbegebäudes trat. »Ich frag die mal.«
    »Hallo!« Er ging zu der Frau hinüber. Die Frau sah ihn auf sich zukommen und lief weg.
    »Scheiße!« sagte Martin, als Frank und Karl zu ihm aufgeschlossen waren, »ich wollte ihr doch nichts tun, ich meine, sehe ich gefährlich aus, oder was?«
    »Laß uns mal da in den Hof reingehen«, sagte Karl, »wenn überhaupt, dann muß die Party da drin irgendwo sein, da ist sie doch hergekommen oder nicht? Was soll die denn sonst jetzt hier machen?«
    »Vielleicht eine Putzfrau«, schlug Frank vor.
    »Nee, die sah nicht aus wie eine Putzfrau, die sah aus wie eine, die von einer Party kommt.«
    Sie gingen in den Hof des Gewerbegebäudes. »Wenn, dann ist das hier«, sagte Kar!, »hier so Fabriketagen und so, Loft, Erwin, Party, was weiß ich«, redete er sinnlos vor sich hin, und dann sahen sie auch, daß im Quergebäude hinter Fabrikfenstern ein Licht leuchtete.
    »Das ist aber ziemlich schwach beleuchtet, was soll das denn für ‘ne Party sein«, sagte Martin. »Und Musik hört man auch nicht.«
    »Jetzt jammer nicht«, sagte Karl. Die Tür des Quergebäudes war geschlossen. Kar! rüttelte daran. »Zu die Scheiße. Wo sollen wir denn jetzt klingeln? Da steht nichts dran«, sagte er, als er die Klingelschilder studierte, »ist zu dunkel, was weiß ich… «
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, und zwei Frauen kamen heraus.
    »Ist hier die Party von Silke?« fragte Martin sie.
    Die Frauen schauten ihn nicht einmal an, sondern gingen ganz schnell weiter.
    »Super, vielen Dank«, sagte Kar! und schob Frank und Martin vor sich her durch die Tür. »Bosbach, du Dödel«, sagte er, als sie die Treppen hinaufstiegen, »was soll der Scheiß, wer ist Silke? Und was ist das für eine Scheißparty, das kann doch nur wieder peinlich werden!«
    »Das war nur so ‘ne Idee mit Silke. Irgendwo ist doch immer ‘ne Silke dabei, wenn man nach Silke fragt, kriegt man immer was raus. Was mir aber Sorgen macht«, sagte Martin Bosbach, »ist, daß da die ganzen Frauen schon gehen oder was. Ich meine, das ist doch meistens ein schlechtes Zeichen.«
    »Ja, aber immerhin höre ich irgendwie Musik«, sagte Karl. »Aber ganz schön leise.«
    Martin blieb auf der Treppe stehen. »Ich höre nichts«, sagte er. »Was denn für Musik?«
    »Ich höre auch nichts«, sagte Frank.
    »Ich hör die«, sagte Karl. »Aber ganz leise.«
    Als sie ein Stockwerk höher waren, hörte Frank die Musik auch, und im dritten Stock war sie schon ziemlich laut. Sie öffneten dort eine große Stahltür und standen in einem Loft, das war spärlich mit Neonröhren verschiedener Farbe beleuchtet und menschenleer. Sie gingen ein Stückehen in den großen Raum hinein, aber es war niemand da.
    »Vielleicht nicht hier, sondern eins höher«, rief Martin gegen die Musik an.
    »Quatsch, dann wäre hier doch keine Musik an«, rief Karl.
    »Das ist nicht gesagt, es kann ja einer hier wohnen, und der wäscht sich gerade die Haare und hat dazu Musik an.«
    »Um vier Uhr morgens?!«
    »Das ist doch gar nicht gesagt, daß das vier Uhr morgens ist, das kann man doch gar nicht wissen«, sagte Martin.
    Karl ging ihnen voran bis dahin, wo vom großen Raum ein Gang ins Dunkel führte. »Hallo!« rief er in den Gang hinein.
    »Vorsicht jetzt!« rief Martin Bosbach. »Das ist mir irgendwie nicht geheuer.«
    »Idiot«, sagte Karl.
    Die Musik ging aus, und man konnte hören, wie die Nadel in der letzten Rille ihre Runden drehte.
    »Vielleicht sollten wir lieber gehen«, sagte Martin. »Ich meine, nach Party sieht das irgendwie nicht aus hier!«
    »Hat außer dir auch niemand gesagt, daß hier ‘ne Party ist«, sagte Kar!.

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