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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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gewesen, in einer Kneipe zu arbeiten, und er forderte sie auf, sich das mal vorzustellen, daß er schon als kleiner Junge in einer Kneipe hatte arbeiten wollen, so wie andere damals, das wußte er noch genau und berichtete deshalb auch davon, Lokomotivführer oder Volkspolizisten hatten werden wollen, denn er war im Osten aufgewachsen, wie er ihnen nicht verheimlichen wollte, aber mit vierzehn rübergekommen, und sie sollten lieber nicht fragen, wie, und sie fragten auch nicht, aber er sagte ihnen trotzdem, wie, es hatte etwas mit Familienzusammenführung zu tun gehabt, aber sonst konnte er sich kaum noch an seine Ost-Zeit erinnnern, bemerkte er etwas traurig, das hatte er alles längst vergessen oder verdrängt, verlorene Kindheit, das fand er irgendwie schade, daß er sich da kaum noch erinnerte, nur die jungen Pioniere, das wollte er noch sagen, die waren wirklich scheiße gewesen, das würde er nie vergessen, wie ihn das damals genervt hatte, obwohl es andererseits auch schöne Momente da gegeben hatte, das wollte er nicht verschweigen, und dann dachte er auch noch ein bißchen laut darüber nach, daß es ja schon deshalb besser wäre, in einer Kneipe statt im Taxi zu arbeiten, weil man in einer Kneipe bei der Arbeit auch mal einen trinken konnte, im Taxi, da war er konsequent, da kannte er keine Kompromisse, ging das nicht, und dann hatte Marko gelacht und Erwin auf die Schulter geklopft, weil der doch der Chef war, das hatte Marko gleich gesehen, daß Erwin der Chef war, für sowas hatte er einen Riecher, das war ihm gleich klar gewesen, daß Erwin der Chef war und Erwin deshalb das mit dem Trinken bei der Arbeit ja wohl ganz genau wissen mußte, und Erwin sank unter Markos Schulterklopfen immer weiter in sich zusammen und murmelte etwas Unverständliches in sich hinein, was Marko mit den Worten »Sa’ ick doch, sa’ ick doch!« kommentierte, und dann kam Kar! mit einer großen, metallenen Werkzeugkiste die Treppe wieder herauf, knallte sie mit den Worten »Icke ooch, icke ooch!« vor Frank auf den Boden und fügte hinzu: »Nun mal los, Herr Oberschränker!«
    Das war Frank nun auch nicht gerade angenehm, daß er auf einmal so sehr im Mittelpunkt des Geschehens stand, man hätte vielleicht einfach mal die Schnauze halten sollen, dachte er, die anderen reden doch schon genug, warum konnte nicht wenigstens ich mal die Schnauze halten, dachte er, aber dann sah er Erwins Blick auf sich ruhen, und in diesem Blick lag so viel sinnlose Hoffnung und so viel noch sinnloseres Vertrauen, daß er beschloß, alle Hemmungen über Bord zu werfen und frisch ans einbrecherische Werk zu gehen.
    Das klappte auch ganz gut. Er fand in dem Werkzeugkasten, der nicht nur sehr gut bestückt, sondern auch bemerkenswert aufgeräumt war, einen Schraubenzieher, mit dem es ihm gelang, drei der vier Schrauben, mit denen die Türschloßabdeckung an der Tür verschraubt war, zu lösen, die vierte allerdings konnte er weder mit dem normalen, noch mit einem Kreuzschlitzschraubenzieher herauskriegen, denn sie war vernödelt, aber das machte nichts, er konnte die Abdeckung um diese letzte Schraube herum zur Seite drehen, bis das dahinterliegende und wie erhofft etwas vorstehende Ende eines Vierkantbolzens sichtbar wurde.
    Dann fiel ihm aber auf, daß seine Mitstreiter erstaunlich still waren.
    »Wie sieht’s aus?« sagte er in die Runde. »Soll ich das jetzt aufmachen oder nicht?«
    »Ich wär da echt vorsichtig«, sagte Marko, ihr neuer Bekannter, »wer weiß, was die da drin zu liegen haben, sowas weiß man nie!«
    »Ja, ja, icke, dette, kieke mal«, sagte Karl. »Mach das Ding auf, Peter Voß! Oder muß ich erst die Melodie vom rosaroten Panther pfeifen?!«
    »Ich hab doch den Mietvertrag«, sagte Erwin, »ich hab den Mietvertrag, was kann ich dafür, wenn der Arsch nicht da ist, heute ist Wohnungsübergabe, und Helga kommt gleich!«
    »Nun mach das Ding schon auf, bevor ich Ohrenkrebs bekomme!« rief Chrissie genervt. »Ich halte das Gelaber einfach nicht mehr aus!«
    Frank holte eine Kombizange aus der Werkzeugkiste, setzte sie an dem überstehenden Stück des Bolzens an und drehte. Die Tür sprang auf.
    »Ich geh da auf keinen Fall rein!« sagte Marko. »Wer weiß, was die da drin gemacht haben!«
    Die Tür stand einen Spalt weit auf. Frank trat ein paar Schritte zurück, um den anderen den Vortritt zu lassen. Keiner rührte sich.
    »Ich finde, das riecht auch komisch jetzt!« sagte Marko. »Wer weiß, wen die da drinnen zu liegen

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