Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
Kloschüssel auch?«
»Die Kloschüssel weiß ich nicht.«
»Und die Türklinken?«
Frank verlor das Interesse an dieser Unterhaltung, ebenso wie Edith, H.R.s Freundin, die hinter ihm stand und gelangweilt auf seinen Rücken schaute. Als Frank sie ansah, trafen sich ihre Blicke.
»Kenn ich dich von irgendwoher?« sagte sie zu ihm.
»Nein, nicht richtig«, sagte Frank.
»Du kommst mir aber bekannt vor«, sagte sie.
»Ich bin Freddies kleiner Bruder«, sagte Frank und bereute es im selben Moment, hatte er doch eigentlich die Schnauze voll davon, Freddies kleiner Bruder zu sein.
»Auch die Rohre?« sagte in diesem Moment H.R. besonders gut hörbar, denn die Musik, die mit zunehmendem Publikumsandrang im Einfall auch immer lauter geworden war, hatte gerade einen Aussetzer.
»Welche Rohre?«
»Na diese Gasrohre, die da immer noch oben so an den Ecken langlaufen wegen dem Gaslicht früher oder wegen dem Gasherd oder was weiß ich denn …«
»Nein, komisch, daß du das sagst«, sagte Kar!, »diese Rohre sind golden.«
»Golden?« sagte H.R., »das ist ja…« und dann setzte die Musik wieder ein und verschluckte den Rest.
»Freddies kleiner Bruder«, sagte Edith und faßte ihn dabei an der Schulter an, »Tatsache, du siehst ein bißchen aus wie Freddie.«
»Da gehen die Meinungen auseinander«, sagte Frank. »Weißt du zufällig, wo Freddie gerade ist?«
»Wie Freddie in jünger«, sagte Edith und starrte ihn an. Frank war das unangenehm. Er stand auf und ging weg.
Aber weit kam er nicht. Der Laden war jetzt gerammelt voll, und auf dem Weg zur Tür, wo er ein bißchen frische Luft schnappen wollte, fing ihn Jürgen ab, der Mann aus der ArschArt-Galerie, der Nachfolger in Martin Bosbachs Zimmer. Frank erkannte ihn zuerst kaum wieder, denn er trug emen dunklen, changierenden Anzug und emen schmalen Schlips mit Atompilzen drauf. Er klopfte Frank auf die Schulter wie einem alten Bekannten und sagte: »Na, auch hier?«
»Ja, ja«, sagte Frank, der nur noch rauswollte, er war, ebenso wie Jürgen, eingekeilt in der hin- und herwogenden Menge, die Kneipe war schon überfüllt, und noch immer drängten Leute hinein, und Jürgen sagte zu ihm: »Wer macht denn überhaupt heute diese Lesung hier? Oder Performance oder was?«
Frank sah erst jetzt, daß hinter Jürgen noch P. Immel und weitere seiner Gefolgsleute standen, und jetzt zeigte Immel auf ihn und rief: »Ah! Der junge Lehmann!«
»H.R.«, sagte Frank zu Jürgen, P. Immel ignorierte er, das hielt er für das Beste, der junge Lehmann, dachte er, wie soll man das kontern, da würden, dachte er, auch schlagfertigere Leute kapitulieren, das ist einfach zu dämlich, dachte er, er hatte ziemlich schlechte Laune jetzt, er wurde hin- und hergeworfen und teilte im Schutz des Gedränges erst einmal selbst ein paar Stöße mit dem Ellenbogen aus, um sich etwas Erleichterung zu verschaffen.
»Wer ist denn H.R.?« fragte Jürgen unterdessen. »Muß man den kennen?«
»Der da vorne«, sagte Frank und zeigte aufH.R., der in diesem Moment zusammen mit Edith auf eine kleine Bühne auf der anderen Seite des Raumes kletterte und auf einem Mikrofon herumklopfte, ohne daß davon was zu hören war.
»Kenn ich nicht. Wieso denn H.R., was ist das denn für ein komischer Name?« schrie Jürgen in Franks Ohr, denn wenn auch H.R. immer weiter auf das Mikrofon klopfte und mit der anderen Hand zum Tresen hinüberwinkte, so ging deshalb die Musik noch lange nicht aus und das Mikrofon noch lange nicht an. Frank sah zum Tresen und erblickte Klaus, der mit verschränkten Armen neben dem Verstärker der Musikanlage stand und ein grimmiges Gesicht zog. Kar! war nirgends zu sehen.
»Ich weiß nicht, was H.R. heißt«, rief Frank, »ich hab ihn mal gefragt, aber irgendwie hat er’s mir nicht gesagt.«
»Das heißt Hans Rosenthai«, mischte sich P. Immel ein, der jetzt direkt neben ihnen stand.
»Was?« riefJürgen.
»Hans Rosenthal. H.R. heißt Hans Rosenthal.«
»Wie der Typ vom Fernsehen? Wie der aus Dalli Dalli?«
»Ja. Darum ja H.R.«, sagte P. Immel. »Darum ja!«
»Das ist doch ein Scheißname, H.R.«, sagte Jürgen. »Das ist doch der letzte Scheiß, wer kommt denn auf so einen scheiß Künstlernamen?!«
»Offiziell nennt er sich ja auch H.R. Ledigt, wenn er liest«, sagte P. Immel.
»Das ist ja noch bescheuerter«, sagte Jürgen, und in diesem Moment ging die Musik aus, und es wurde still im Raum. Die Leute schauten gespannt zur Bühne.
Dort war H.R., wie es schien, ganz in
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