Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
vor dem Tresen in den Händen hielten, waren von tiefroter Farbe, und drei leere Flaschen Campari standen auf dem Tresen wie Siegerpokale, aber bevor Frank hier einschreiten konnte, fiel ihm ein, daß er das Lager offengelassen hatte und daß es vielleicht auch besser war, noch schnell einige Kisten Bier hochzu-holen, bevor die beiden Flitzpiepen, wie er sie jetzt in Gedanken nannte, denn auch Jürgen war nicht mehr ganz bei sich - in diesem Moment prostete er zum Beispiel Frank zu und verschüttete dabei einen größeren Teil eines Getränks, das allerdings kein Campari-O war, sondern wohl eher das, was ihm, Frank, vor einiger Zeit jemand als >Grüne Wiese< angepriesen hatte, grün sah es jedenfalls aus - bevor die beiden Flitzpiepen jedenfalls völlig ausfallen und hier oben alle Dämme brechen würden, also lief er wieder die Treppe hinunter und holte noch zwei Kästen Bier.
Als er zurückkam, stand Karl hinter dem Tresen, und sogar alleine. Er rief bei Franks Anblick: »Na Gott sei Dank! Ich dachte schon, die beiden kleinen Strolche hätten dich in die Flucht geschlagen!«
»Nein, die haben mir geholfen«, sagte Frank und stellte die Bierkisten ab. »Die beiden haben aufgepaßt, ich mußte ja neues Bier holen.«
»Aufpassen kann man das natürlich auch nennen«, sagte Karl und half ihm beim Einräumen der Flaschen. »Und wieso ist Happy Hour? Was für eine Happy Hour?«
»Tja«, sagte Frank. Er richtete sich auf, öffnete ein Bier und nahm einen tiefen Schluck. Das Bier war natürlich nicht kalt, aber auch nicht so warm, daß es untrinkbar gewesen wäre. »Campari-O eine Mark! Das haben die so entschieden. «
»Wer? Die beiden Pfeifen da?«
»Marko. Es war eigentlich nur Marko. Kann man nichts machen. He, Marko«, rief Frank übermütig. Er hatte plötzlich gute Laune. Karl ist da, dachte er, jetzt wird alles gut. »He, Marko!« wiederholte er.
»Was denn?« rief Marko von seinem alten Platz an der Seite des Tresens, wohin er sich zusammen mit Jürgen zurückgezogen hatte.
»Wie lange geht die Happy Hour?« fragte Frank.
»Ganze Nacht!« Marko grinste und steckte sich einen Finger ins Ohr. »Ganze Nacht!«
Karllachte. »Die Nacht ist noch lang«, sagte er.
»Ja«, sagte Frank und freute sich drauf.
19. DER ARME FREDDIE
»Frank Lehmann!«
»Das ging aber schnell!« sagte seine Mutter, >,ichhatte schon Angst, du wärst noch am schlafen!«
»Bin ich nicht«, sagte Frank, der extra um halb zwei aufgestanden war und ein Bad genommen und Kaffee gekocht hatte, um für dieses Telefonat gerüstet zu sein. Leider waren jetzt auch alle anderen in der Küche, sahen und hörten ihm beim Telefonieren zu und tranken den Kaffee, den er gekocht hatte: Erwin, Chrissie, Kar! und sogar H.R. Das ärgerte Frank, er ließ sich nicht gerne bei einem Telefonat mit seiner Mutter belauschen, sowas macht man lieber ungestört, dachte er, und er war außerdem nervös, denn er hatte sich an diesem Morgen in Freddies Zimmer etwas gründlicher umgesehen, und was er dort gefunden hatte, beunruhigte ihn sehr, und dann hatte er, nur um schnell am Telefon zu sein, auch noch seinen Kaffeebecher auf dem Tisch stehen lassen, da kam er mit dem Hörer in der Hand jetzt nicht mehr ran, also faßte er sich jetzt ein Herz, sagte schnell: »Moment«, legte den Hörer hin, holte den Kaffee vom Tisch und kehrte wieder zum Telefon zurück.
»Wie, Moment?« sagte seine Mutter.
»Schon vorbei. Wie geht’s?«
»Wie geht’s? Was ist denn das für eille Frage, wIe geht’s?«
»Wieso, was ist daran falsch?«
»Daran ist gar nichts falsch, aber wie soll mir das schon gehen seit gestern, ich komme gerade von der Arbeit, wir haben doch gestern schon miteinander telefoniert!«
»Ja, wie läuft’s denn da so bei der Arbeit?«
»Jetzt komm mir nicht so, Frank, du weißt genau, was ich von dir wissen will: Wo ist Manfred?«
»Ich weiß es nicht, der ist halt nicht da, da haben wir doch gestern schon drüber gesprochen.«
»Ist der noch nicht zurückgekommen?«
»Nein, der ist nicht zurückgekommen«, sagte Frank gereizt, »woher auch, das weiß ja keiner, das wissen die hier ja alle nicht, wo er ist, die Dödel hier, die haben doch alle überhaupt keine Ahnung, obwohl die mit ihm zusammen wohnen, peinlich aber wahr, die haben doch überhaupt keine Ahnung, diese armen Menschen hier«, steigerte er sich erregt in eine Beschimpfung seiner indiskreten, schamlosen, ihn anglotzenden und das Gespräch mithörenden Mitbewohner hinein, »die
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