Der kleine Dämonenberater
und auf Zehenspitzen aus dem Schlafzimmer schlich. Behutsam machte er die Tür hinter sich zu, damit sie nicht aufwachte. Da fiel ihm erst wieder ein, daß sie ja nach Monterey gefahren war – oder war es Santa Barbara? Egal, sie war jedenfalls nicht zu Hause. Dennoch vollzog er seine morgendliche Routine mit der gleichen Lautlosigkeit wie sonst.
In der Küche setzte er das Wasser für seinen koffeinfreien Kaffee auf, während vor dem Fenster die Kolibris das Röhrchen mit rotem Zuckerwasser umschwirrten und noch schnell etwas tranken, bevor sie sich auf den Weg zu den Fuchsien und den Geißblattbeeten machten, die seine Frau angelegt hatte. Ihm erschienen die Kolibris, als wären sie die Haustiere seiner Frau. Im Fernsehen hatte er eine Sendung gesehen, in der es hieß, daß der Stoffwechsel eines Kolibri so schnell funktionierte, daß er Menschen gar nicht sehen könne. Und so wie mit den Kolibris verhielt es sich, was Effrom anging, mit der ganzen Welt. Alles und jeder bewegte sich einfach zu schnell, und manchmal hatte er das Gefühl, er sei unsichtbar.
Er konnte nicht mehr Auto fahren. Das letzte Mal, als er es versucht hatte, war er wegen Behinderung des Verkehrs von einem Polizisten angehalten worden. Er hatte dem Cop geraten, er sollte erst mal an den Blumen riechen. Außerdem hatte er hinzugefügt, daß er schon Auto gefahren sei, als der Cop noch ein Glänzen im Auge seines Vaters gewesen war. Doch das war nicht der richtige Ansatz gewesen. Der Polizist hatte ihm den Führerschein abgenommen. Die Frau besorgte jetzt das Fahren. Man stelle sich das mal vor – er war es gewesen, der ihr überhaupt beigebracht hatte, wie man Auto fährt. Er hatte ihr ins Lenkrad greifen müssen, um zu verhindern, daß sie den Ford Model T nicht in den Graben setzte. Und jetzt wollte ein Rotzlöffel von Cop ihm Vorträge halten?
Mittlerweile kochte das Wasser auf dem Herd. Er kramte in der alten Brotkiste aus Blech herum und fand die Grahamkekse mit Schokoladenüberzug, die seine Frau für ihn dort deponiert hatte. Im Kühlschrank stand neben dem entkoffeinierten auch ein Einmachglas mit richtigem Kaffee. Warum eigentlich nicht? Die Frau war aus dem Haus, warum sollte er sich da nicht mal etwas gönnen? Er nahm also den richtigen Kaffee aus dem Schrank und machte sich auf die Suche nach dem Kaffeefilter und dem Filterpapier. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wo er suchen sollte. Die Frau kümmerte sich um diesen Kram.
Schließlich fand er die Filtertüten, den Filter und die Kaffeekanne auf dem Regalbrett unter dem Kaffee. Er schüttete etwas Kaffee in den Filter, warf einen prüfenden Blick auf die Menge und beschloß, noch etwas nachzuschütten. Dann goß er heißes Wasser über den gemahlenen Kaffee.
Der Kaffee tropfte stark und schwarz wie das Herz des Kaisers in die Kanne. Er goß sich eine Tasse voll ein, doch es blieb noch ein Rest übrig. Warum wegschütten? Er öffnete das Küchenfenster und goß, nachdem er den Deckel aufgefummelt hatte, den restlichen Kaffee in das Wasserröhrchen für die Kolibris.
»Trinkt mal einen mit, Jungs.«
Er überlegte, ob sie durch den Kaffee nun so sehr beschleunigt würden, daß sie einfach in der Atmosphäre verpufften, und wollte ihnen noch ein wenig zuschauen, als ihm einfiel, daß nun eine Gymnastiksendung anfing. Er nahm die Grahamkekse und den Kaffee und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo er sich in seinem großen Lehnsessel vor dem Fernseher niederließ.
Er überprüfte noch einmal, ob der Ton auch tatsächlich heruntergedreht war, und schaltete dann das betagte Fernsehgerät ein. Als das Bild endlich erschien, war eine junge Blondine in einem hautengen irisierenden Gymnastikanzug zu sehen, die drei andere junge Frauen bei diversen Dehnübungen anleitete. Aus der Art, wie sie sich bewegten, schloß Effrom, daß im Hintergrund Musik lief, doch er schaute sich die Sendung immer ohne Ton an, um die Frau nicht aufzuwecken. Seit er die Aerobicsendung entdeckt hatte, trugen alle Frauen in seinen Träumen irisierende Catsuits.
Die Mädels lagen nun auf dem Rücken und wedelten mit den Beinen durch die Luft. Effrom ließ sich seine Grahamkekse schmecken und schaute fasziniert zu. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte ein Mann einen Gutteil seines Wochenlohns dafür hinblättern müssen, um etwas Derartiges geboten zu bekommen. Und jetzt bekam man es über Kabel ins Haus für lumpige … Na ja, um die Kabelgebühren kümmerte sich die Frau, aber er vermutete, daß es
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