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Der kleine Dämonenberater

Der kleine Dämonenberater

Titel: Der kleine Dämonenberater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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von ihnen waren bereits gefallen. Meine Mutter wollte unbedingt, daß ihr Sohn ein Priester wurde, und der Weltkrieg kam ihr einfach zu unbedeutend vor, als daß sie sich von ihm diese Chance hätte nehmen lassen. Sie müssen wissen, daß mein kleiner Bruder ein bißchen langsam war – im Kopf, meine ich. Ich war die einzige Chance, die meine Mutter hatte.«
    »Also traten Sie in ein Seminar ein«, unterbrach Brine. Die Geschichte schleppte sich dahin, und er wurde langsam ein wenig ungeduldig.
    »Mit sechzehn bin ich eingetreten. Das bedeutete, daß ich mindestens vier Jahre jünger war als die übrigen Jungs. Meine Mutter packte mir ein paar belegte Brote ein, ich zwängte mich in einen abgewetzten schwarzen Anzug, der mindestens drei Nummern zu klein für mich war, und als nächstes saß ich im Zug nach Illinois.
    Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß ich mit dem Dämon und allem, was dazugehört, nicht das Geringste zu tun haben wollte; ich wollte wirklich Priester werden. Von all den Leuten, die mir in meiner Kindheit begegnet waren, waren Priester die einzigen, die wirklich Einfluß auf die Dinge hatten. Die Ernte konnte mißraten, Banken konnten schließen, Menschen wurden krank und starben, aber Priester und die Kirche gab es immer, sie waren ein Ruhepol, der durch nichts zu erschüttern war. Außerdem der ganze Mystizismus, das war schon eine schicke Angelegenheit.«
    »Was war mit Frauen?« fragte Brine. Er hatte sich damit abgefunden, daß das Ganze eine längere Angelegenheit werden würde, zumal Travis den Eindruck machte, als müßte er sich das alles endlich von der Seele reden. Brine stellte fest, daß er den jungen Mann trotz allem eigentlich ganz sympathisch fand.
    »Was man nie gekannt hat, kann einem auch nicht fehlen. Ich meine, dieses Verlangen – das war doch Sünde, oder? Also mußte ich nur sagen, ›weiche von mir, Satan‹, und schon war die Sache erledigt.«
    »Das ist das Unglaublichste, was ich bis jetzt von Ihnen zu hören bekommen habe«, sagte Brine. »Als ich sechzehn war, kam es mir vor, als sei Sex der einzige Grund, überhaupt weiterzuleben.«
    »Das dachten die am Seminar auch. Weil ich jünger war als die anderen, nahm mich der Diszplinarpräfekt, Pater Jasper, unter seine Fittiche, widmete mir seine besondere Aufmerksamkeit und ließ mir eine Spezialbehandlung angedeihen. Damit ich nicht von unreinen Gedanken heimgesucht wurde, ließ er mir keine freie Minute, sondern ich mußte ununterbrochen arbeiten. Abends, wenn die anderen ins Gebet versunken waren, wurde ich in die Kapelle geschickt, um das Altarsilber zu polieren. Während die anderen aßen, arbeitete ich in der Küche, trug das Essen auf und machte den Abwasch. Zwei Jahre lang waren der Unterricht und die Messe die einzigen Gelegenheiten in der Zeit zwischen Sonnenaufgang und Mitternacht, wo ich ein wenig zur Ruhe kam und mich erholen konnte. Und als meine Leistungen schwächer wurden und ich im Unterricht nicht mehr nachkam, setzte mir Pater Jasper nur um so heftiger zu.
    Der Vatikan hatte dem Seminar einen Satz silberne Kerzenständer für den Altar zum Geschenk gemacht. Es hieß, daß einer der frühen Päpste sie hatte anfertigen lassen und sie über sechshundert Jahre alt waren. Diese Kerzenhalter waren der wertvollste Besitz des Seminars, und meine Aufgabe bestand darin, sie zu polieren. Pater Jasper stand Abend für Abend hinter mir und erging sich in endlosen Vorträgen und Tiraden darüber, welchen unreinen Gedanken ich angeblich anhing. Ich polierte die Kerzenhalter, bis meine Hände ganz schwarz waren von der Politur, und dennoch gab es immer etwas, das Pater Jasper an mir auszusetzen hatte. Wenn ich überhaupt unreine Gedanken hatte, dann nur deshalb, weil mich Pater Jasper permanent daran erinnerte.
    Ich hatte keine Freunde im Seminar. Durch Pater Jasper war ich zu einem Unberührbaren geworden, dem die anderen Studenten aus dem Weg gingen, um sich nicht den Zorn des Disziplinarpräfekten zuzuziehen. Wann immer sich die Gelegenheit bot, schrieb ich nach Hause, doch aus irgendeinem Grund bekam ich nie eine Antwort. Langsam beschlich mich der Verdacht, daß Pater Jasper die Briefe meiner Familie zurückhielt.
    Eines Abends, als ich gerade das Altarsilber polierte, kam Pater Jasper in die Kapelle und begann, mir wieder einmal einen Vortrag über die Schlechtigkeit meines Wesens zu halten.
    ›Du bist unrein in Gedanke und Tat, und dennoch weigerst du dich, dies zu beichten‹, sagte er. ›Du bist

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