Der kleine Dämonenberater
gut, daß Sie zu Hause sind.« Es war eine Frauenstimme. »Mrs. Elliot, vermutlich haben Sie das Einschußloch in der Tür Ihres Schlafzimmers gesehen. Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie gut zuhören und meine Anweisungen befolgen, kommt alles wieder in Ordnung.«
-26-
TRAVIS' GESCHICHTE
Ein Ballonglas Rotwein in der Hand, saß Augustus Brine in einem der Ledersessel vor dem Kamin und schmauchte an seiner Meerschaumpfeife. Er hatte sich eigentlich nur ein einziges Glas Wein gönnen wollen, um so die Restwirkung des Koffeins und Adrenalins zu dämpfen, das seit der Entführung immer noch durch seinen Kopf rauschte. Doch nun war er bereits bei seinem dritten Glas, und eine angenehme Wärme durchströmte seinen Körper; er legte den Kopf zurück und genoß ein wenig das sanfte Schwindelgefühl, bevor er die Aufgabe in Angriff nahm, die nun auf ihn wartete: Den Gebieter des Dämons einem Verhör zu unterziehen.
Eigentlich sah der Kerl ganz harmlos aus – fest verschnürt an den anderen Sessel gefesselt. Doch wenn man Gian Hen Gian glauben konnte, handelte es sich bei diesem jungen Mann um den gefährlichsten Menschen auf der ganzen Welt.
Brine überlegte eine Weile, ob er sich vielleicht lieber waschen sollte, bevor er den Gebieter des Dämons aufweckte. Er warf einen kurzen Blick in den Spiegel im Bad – sein Bart und seine Kleider waren mit einer Schicht aus Ruß und Mehl überzogen, die gleiche Mischung lag auf seiner Haut, allerdings noch kombiniert mit Schweiß – und kam zu der Überzeugung, daß er einen wesentlich furchterregenderen Eindruck machte, wenn er so blieb, wie er war. Im Medizinschrank fand er das Riechsalz und machte Gian Hen Gian den Vorschlag, ein Bad zu nehmen, während er sich ausruhte. Im Grunde genommen wollte er nur, daß der Dschinn nicht im gleichen Raum war, wenn er den Gebieter des Dämons befragte. Diese Angelegenheit würde kompliziert genug werden, und es mußte nicht sein, daß der Dschinn mit seinen Flüchen und Verwünschungen alles noch schlimmer machte.
Brine stellte sein Weinglas auf den Tisch, legte seine Pfeife dazu und nahm eine in Watte gepackte Riechsalzkapsel zur Hand. Er beugte sich vor zu dem Gebieter des Dämons und zerbrach die Kapsel unter seiner Nase. Einen Augenblick lang passierte gar nichts, und Brine befürchtete schon, daß er zu hart zugeschlagen hatte, doch dann begann der Gebieter des Dämons zu husten, schaute Brine an und schrie.
»Immer mit der Ruhe – Ihnen ist nichts passiert.« sagte Brine.
»Catch, hilf mir!« Der Dämonenhalter zerrte an seinen Fesseln. Brine nahm seine Pfeife zur Hand und zündete sie scheinbar in aller Seelenruhe an. Einen Moment später beruhigte sich der Gebieter des Dämons.
Brine blies eine dünne Rauchfahne in die Luft. »Catch ist nicht hier. Sie sind ganz auf sich gestellt.«
Travis schien ganz vergessen zu haben, daß man ihn bewußtlos geschlagen, entführt und gefesselt hatte. Seine Aufmerksamkeit war ganz und gar eingenommen von Brines letzter Bemerkung. »Was meinen Sie damit, Catch ist nicht hier? Sie wissen über Catch Bescheid?«
Brine überlegte einen Moment, ob er die Ich-bin-hier-derjenige-der-die-Fragen-stellt-Masche abziehen sollte, die er schon so oft in Kriminalfilmen gesehen hatte, aber es erschien ihm zu lächerlich. Er war kein knallharter Bursche; warum sollte er nun so tun als ob? »Ja, ich weiß Bescheid über den Dämon. Ich weiß, daß er Leute auffrißt, und ich weiß, daß Sie sein Meister sind.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Brine. »Ich weiß außerdem, daß Sie die Kontrolle über Catch verloren haben.«
»Ist das wahr?« Travis' Erschütterung angesichts dieser Feststellung wirkte echt. »Passen Sie auf, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie können mich nicht gegen meinen Willen hier festhalten. Wenn Catch wieder außer Kontrolle ist, bin ich der einzige, der ihn aufhalten kann. Ich bin wirklich kurz davor, die ganze Sache zu einem Ende zu bringen; Sie können mich jetzt nicht aufhalten.«
»Warum sollte Ihnen daran gelegen sein?«
»Was meinen Sie damit, warum sollte mir daran gelegen sein? Sie wissen vielleicht über Catch Bescheid, aber Sie haben keine Ahnung, wie er ist, wenn er außer Kontrolle gerät.«
»Ich meinte auch eher«, sagte Brine, »warum sollte Ihnen etwas daran liegen, welchen Schaden er anrichtet? Sie haben ihn doch heraufbeschworen, oder etwa nicht? Sie schicken ihn los, damit er mordet, oder etwa
Weitere Kostenlose Bücher