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Der kleine Dämonenberater

Der kleine Dämonenberater

Titel: Der kleine Dämonenberater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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wissen.
    »Nachdem Sie den ganzen Aufwand mit dem Mehl getrieben haben, nehme ich an, daß Sie wissen, daß Catch für andere Menschen nur dann zu sehen ist, wenn er seine Freßgestalt annimmt. Mir erscheint er die meiste Zeit als ein schuppenbedeckter Teufel von etwa einem Meter Größe. Wenn er frißt oder außer Kontrolle gerät, wird er zu einem Riesen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er einen Mann mit einem einzigen Hieb seiner Klauen in der Mitte durchgeschnitten hat. Ich weiß auch nicht, wie es dazu kommt. Ich weiß nur, daß ich noch nie in meinem Leben solche Angst hatte wie in jenem Augenblick, als ich ihn zum ersten Mal sah.
    Er schaute sich die Kapelle an, dann betrachtete er mich, und schließlich ließ er seinen Blick wieder durch die Kapelle schweifen. Flüsternd betete ich zu Gott, er möge mich beschützen.
    ›Hör auf damit!‹ sagte er. ›Ich kümmere mich schon um alles.‹ Dann ging er durch den Mittelgang und durch die Tür, die er einfach aus den Angeln drückte. Er drehte sich um, sah mich an und sagte: ›Die Dinger muß man aufmachen, stimmt's? Hatte ich ganz vergessen, ist schon eine Weile her.‹
    Sobald er draußen war, hob ich die Kerzenhalter auf und rannte los. Ich war schon am Eingangstor, als mir einfiel, daß ich ja immer noch eine zerrissene Kutte trug.
    Ich wollte mich davonmachen, mich verstecken und vergessen, was ich gesehen hatte, doch ich mußte zurück, meine Kleider holen. Ich lief zurück zu meiner Unterkunft. Da ich schon im dritten Jahr am Seminar war, hatte ich eine eigene kleine Kammer, so daß ich wenigstens nicht in die Schlafsäle schleichen mußte, in denen die Schüler schliefen, die noch nicht so lange da waren. Die einzigen Kleider, die ich hatte, waren der Anzug, den ich bei meiner Ankunft getragen hatte, und eine Latzhose, die ich bei der Feldarbeit trug. Ich zog den Anzug an, doch die Hosen waren mittlerweile viel zu eng, also nahm ich die Latzhose und zog die Anzugjacke drüber, um meine Schultern zu bedecken. Ich wickelte die Kerzenhalter in eine Decke und lief zum Tor.
    Als ich gerade zum Tor hinaus war, hörte ich einen furchtbaren Schrei. Es war unverkennbar Pater Jasper.
    Ohne auch nur ein einziges Mal stehenzubleiben, rannte ich die sechs Meilen bis zur Stadt. Die Sonne ging gerade auf, als ich zum Bahnhof kam, wo genau in diesem Augenblick ein Zug losfuhr. Ich hatte keine Ahnung, wo er hinfuhr, doch ich rannte den Bahnsteig entlang und schaffte es mit letzter Kraft aufzuspringen, bevor ich zusammenbrach.
    Ich würde Ihnen ja gerne erzählen, daß ich irgendeinen Plan hatte, aber dem war einfach nicht so. Mein einziger Gedanke war, so weit wie möglich von Saint Anthony wegzukommen. Ich weiß nicht, warum ich die Kerzenhalter mitgenommen habe. Ihr Wert war mir egal. Ich nehme an, ich wollte einfach keine Beweise für das zurücklassen, was ich getan hatte. Oder vielleicht war es auch der Einfluß des Übernatürlichen.
    Ich rappelte mich jedenfalls auf und ging in den Waggon, um mir einen Platz zu suchen. Der Zug war beinahe voll besetzt mit Soldaten und hier und da ein paar Zivilisten. Ich taumelte den Gang entlang und ließ mich auf den ersten freien Platz fallen, den ich sah. Er war neben einer jungen Frau, die ein Buch las.
    ›Dieser Platz ist besetzt‹, sagte sie.
    ›Bitte lassen Sie mich nur eine Minute ausruhen‹, bat ich. ›Ich stehe auch sofort auf, wenn Ihr Begleiter wiederkommt.‹
    Sie blickte von ihrem Buch auf, und ich war wie vom Donner gerührt. Noch nie hatte ich solche Augen gesehen – so groß und so blau. Ich werde sie nie vergessen. Sie war noch so jung, etwa in meinem Alter und trug ihr Haar hochgesteckt und einen Hut darüber, der von einer langen Nadel gehalten wurde, wie es damals Mode war. Ich muß ziemlich furchterregend auf sie gewirkt haben, jedenfalls sah sie so aus – vielleicht lag es auch daran, daß der Schrecken mir noch ins Gesicht geschrieben stand.
    ›Geht es Ihnen nicht gut? Soll ich den Zugführer rufen?‹ fragte sie.
    Ich dankte ihr und erklärte, daß ich einfach nur etwas Ruhe brauchte. Mit einigem Befremden betrachtete sie meine Kleidung, doch sie war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Ich blickte auf und stellte fest, daß jeder im Wagen mich anstarrte. Konnte es etwa sein, daß sie wußten, was ich getan hatte? Dann ging mir ein Licht auf. Es herrschte Krieg, und ich war im wehrfähigen Alter und trug dennoch Zivil. ›Ich bin am Priesterseminar‹ brüllte ich heraus, worauf sich

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