Der kleine Dämonenberater
suchte sich Catch neue Opfer. Ich versuchte, soweit es mir möglich war, seinen Hunger auf Diebe und Gauner zu lenken, in der Überlegung, daß, wenn er schon Menschen umbringen mußte, ich wenigstens die Unschuldigen schützte.
Ich durchforstete Bibliotheken nach den ältesten Büchern, die ich zum Thema Magie und Dämonologie finden konnte. Vielleicht war es ja möglich, daß ich irgendwo auf die Beschwörungsformel stieß, mit der ich den Dämon zurückschicken konnte. Ich vollführte Hunderte von Ritualen – ich zeichnete Pentagramme, sammelte bizarre Talismane und unterzog mich allen möglichen körperlichen Exerzitien und Diäten, durch die der Hexenmeister einen höheren Grad der Reinheit erreichen sollte, damit seine Magie auch funktionierte. Nachdem alle Versuche gescheitert waren, kam ich zu dem Schluß, daß das gesammelte Wissen der Magie nichts weiter war als das Werk mittelalterlicher Wundermedizinverkäufer, die den Leuten irgendwelches Schlangenöl anzudrehen versuchten. Der Verweis darauf, daß der Hexer einen bestimmten Grad der Reinheit erreicht haben mußte, war nichts weiter als eine billige Ausrede, die als Entschuldigung dafür diente, daß ihre Magie nicht funktionierte.
Gleichzeitig zu all diesen Befürchtungen versuchte ich noch immer, einen Priester zu finden, der bereit war, einen Exorzismus durchzuführen. Schließlich fand ich einen in Baltimore, der mir meine Geschichte glaubte. Zu seinem eigenen Schutz vereinbarten wir, daß er auf einem Balkon stehen sollte, während Catch und ich unten auf der Straße standen. Während des Rituals lachte Catch sich halbtot, und als es zu Ende war, brach er in das Gebäude ein und fraß den Priester auf. In diesem Augenblick wußte ich, daß es für mich nur eine einzige Hoffnung gab – das Mädchen zu finden.
Catch und ich zogen also weiter. Wir blieben nie länger als zwei oder drei Tage an einem Ort. Glücklicherweise gab es damals noch keine Computer, sonst hätte man das unerklärliche Verschwinden von Personen vielleicht in Zusammenhang gebracht und wäre Catch auf die Spur gekommen. In jeder Stadt, in die wir kamen, ließ ich mir eine Liste der Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg geben und verfolgte jeden Hinweis, der sich daraus ergab. Ich klopfte an zahllose Türen und stellte den Familien unzählige Fragen. Seit siebzig Jahren mache ich das schon. Gestern, glaube ich, habe ich den Mann gefunden, nach dem ich gesucht habe. Wie sich herausgestellt hat, ist E der Anfangsbuchstabe seines mittleren Vornamens. Er heißt J. Effrom Elliot. Ich glaubte schon, daß sich mein Glück endlich gewendet hatte. Ich meine, die Tatsache, daß der Mann noch am Leben ist, ist schon ein ziemlicher Glücksfall. Was die Kerzenhalter angeht, dachte ich schon, ich müßte irgendwelche Nachfahren ausfindig machen, in der Hoffnung, daß sich noch jemand an ihn erinnert und die Kerzenhalter vielleicht als Erbstück aufbewahrt hat.
Ich dachte, es wäre endlich alles vorbei, aber jetzt ist Catch außer Kontrolle, und Sie halten mich davon ab, seinem Treiben ein für allemal ein Ende zu machen.«
-27-
AUGUSTUS
Augustus Brine zündete seine Pfeife an und ließ Travis' Bericht noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen. Mittlerweile hatte er die Flasche Wein ausgetrunken, doch seine Gedanken hatten dadurch nicht im geringsten an Klarheit eingebüßt. Im Gegenteil, er konnte jetzt, wo der Wein das Adrenalin ihres morgendlichen Abenteuers fortgespült hatte, wesentlich klarer denken als zuvor.
»Es gab eine Zeit, Travis, da hätte ich, wenn mir jemand eine Geschichte erzählt hätte wie Sie gerade, die Leute von der Nervenklinik gerufen, damit sie ihn abholen. Doch in den letzten vierundzwanzig Stunden fährt die Wirklichkeit Achterbahn, und so gesehen, kann ich mich nur auf mich selbst verlassen.«
»Was soll das heißen?« fragte Travis.
»Das soll heißen, daß ich Ihnen glaube.« Brine erhob sich von seinem Sessel und begann die Fesseln zu lösen, mit denen Travis an seinem Sessel festgebunden war.
Hinter ihnen waren plötzlich Trippelschritte zu hören, und als Brine sich umdrehte, sah er, wie Gian Hen Gian mit einem geblümten Handtuch um die Hüften und einem weiteren um den Kopf ins Wohnzimmer hereinkam. Auf Augustus Brine wirkte er wie eine Dörrpflaume in einem Carmen-Miranda-Kostüm.
»Ich bin erfrischt und bereit, zur Folter zu schreiten, Augustus Brine.« Als er sah, daß Brine den Gebieter des Dämonen losmachte, blieb er wie angewurzelt
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