Der kleine Dämonenberater
existieren.«
»Ich verstehe das nicht.« Rivera hatte das Gefühl, als klebte er im Netz von Spider fest und wartete darauf, bei lebendigem Leib verspeist zu werden.
»Es scheint so, als seien die Notizen selbst zum Teil schon über fünfzig Jahre alt. Ich könnte sie ins Laboratorium schicken, um das bestätigen zu lassen, wenn Sie wollen.«
»Nein, auf keinen Fall.« Rivera wollte keine Bestätigung. Er wollte, daß der Spuk aufhörte. »Nailsworth, ist es möglich, daß der Computer da ein paar unmögliche Verbindungen hergestellt hat? Ich meine, er ist programmiert, Muster herauszufinden – kann es sein, daß er übers Ziel hinausgeschossen ist und das hier selbst kreiert hat?«
»Sie wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, Sergeant. Der Computer kann sich nicht selbst etwas ausdenken. Er kann nur das interpretieren, was ihm eingegeben wird. Wenn ich Sie wäre, würde ich meinen Verdächtigen aus der Zelle holen und herausfinden, woher er den Koffer hat.«
»Ich hab ihn laufenlassen. Der Staatsanwalt meinte, wir hätten nicht genügend gegen ihn in der Hand.«
»Finden Sie ihn«, sagte Nailsworth.
Der autoritäre Tonfall in Nailsworths Stimme paßte Rivera überhaupt nicht, doch er ging nicht weiter darauf ein. »Ich mache mich sofort auf den Weg.«
»Eins noch.«
»Ja?«
»Eine der Adressen ist in Pine Cove. Wollen Sie sie?«
»Sicher.«
Nailsworth gab Rivera den Namen und die Adresse durch.
»Auf dem Zettel stand kein Datum, Sergeant. Ihr Killer ist vielleicht noch in der Gegend. Wenn sie ihn schnappen, wären Sie aus dem ganzen Schlamassel raus.«
»Das ist reichlich unwahrscheinlich.«
»Und vergessen Sie nicht, der Sache mit Roxanne für mich nachzugehen, okay?« Spider legte auf.
-30-
JENNY
Jenny war eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit gekommen und hatte eigentlich damit gerechnet, daß Howard bereits hinter dem Tresen auf sie wartete, um ihr eine seiner eigenwilligen Predigten zu halten. Seltsamerweise beunruhigte sie der Gedanke daran nicht im geringsten. Noch seltsamer war allerdings die Tatsache, daß Howard sich den ganzen Morgen im Café nicht blicken ließ.
Angesichts der Tatsache, daß sie zwei Flaschen Wein getrunken, ein üppiges italienisches Menü sowie den gesamten Inhalt des Kühlschranks verspeist und ansonsten die ganze Nacht mit Sex verbracht hatte, wobei sie natürlich nicht zum Schlafen gekommen war, hätte man annehmen können, daß sie nun müde war – doch von Müdigkeit keine Spur. Im Gegenteil, sie fühlte sich prima: gutgelaunt und voller Energie, aber kein bißchen aufgeregt. Wenn sie an die Nacht mit Travis dachte, mußte sie grinsen, und ein Schauer lief ihr den Rücken herunter. Eigentlich sollte ich Schuldgefühle haben, dachte sie. Theoretisch gesehen war sie immer noch eine verheiratete Frau. Und theoretisch gesehen hatte sie nun eine Affäre. Andererseits hatte sie die Dinge nie unter theoretischen Aspekten betrachtet. Sie fühlte sich nicht schuldig, sondern glücklich und hätte sofort noch mal von vorn anfangen können.
Kaum bei der Arbeit angekommen, begann sie auch schon die Stunden bis zum Feierabend nach der Mittagsschicht zu zählen. Sie hatte gerade mal eine Stunde hinter sich gebracht, als der Koch sie ins Büro rief, weil dort ein Anruf auf sie wartete.
Sie füllte schnell noch die Tassen ihrer Gäste auf, dann ging sie nach hinten. Wenn es Robert war, würde sie so tun, als wäre nichts passiert. Sie war nicht richtig verliebt, obwohl sie damit gerechnet hatte, daß das passieren könnte. Es war … ach, es spielte auch keine Rolle, was es war. Sie war niemandem eine Erklärung schuldig. Wenn es Travis war – sie hoffte, es war Travis.
Sie nahm den Hörer in die Hand. »Hallo.«
»Jenny?« Es war eine Frauenstimme. »Hier ist Rachel. Paß auf, ich halte heute nachmittag ein ganz besonderes Ritual ab, und zwar in den Höhlen. Es ist unbedingt notwendig, daß du dabei bist.«
»Ich weiß nicht, Rachel, ich hab eigentlich schon was vor nach der Arbeit.«
»Jennifer, die Sache ist ungeheuer wichtig, und ich brauche dich dabei. Wann machst du denn Schluß?«
»Um zwei, aber ich muß erst noch nach Hause, mich umziehen.«
»Nein, laß das bleiben, komm gleich nach der Arbeit – es ist wirklich wichtig.«
»Aber ich habe wirklich …«
»Bitte, Jenny, es wird nur ein paar Minuten dauern.«
Diese Hartnäckigkeit war Jennifer von Rachel gar nicht gewohnt; sie hatte noch nie in diesem Ton mit ihr gesprochen. Vielleicht war
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