Der kleine Erziehungsberater
Grund haben, das. Der Höchste Rat kann in die Zukunft blicken – wir nicht. Sie nicht und ich nicht.«
»Geben Sie wenigstens Marie noch etwas Popcorn«, flüsterte ich.
»Es ist gegen die Vorschrift«, sagte der Zaub’rer. »Nur drei Wünsche jeden Sonntag.«
»Marie, er will dir kein Popcorn geben«, sagte ich. Sie schrie laut. Rasch blickte der Zaub’rer Lilalü nach hinten, erst über seine rechte Schulter, dann über die linke. Hastig kletterte er wieder aufs Dach seines Wagens und holte weißes Cumulus-Popcorn. »Hier«, sagte er, »aber verratet mich nicht.«
»Also muss es jetzt sein?«, fragte ich.
»Es muss«, sagte Lilalü, seufzte wieder und wiederholte: »Es muss.«
»Dann schnell«, flüsterte ich, nahm Antje an der Hand, schob sie ins Auto, hob die Kinder neben sie auf die Rückbank und setzte mich selbst auf den Beifahrersitz. Der Zaub’rer Lilalü nahm hinter dem Lenkrad Platz, fasste es vorschriftsmäßig mit beiden Händen an und sagte fest:
»Li La Lü
und Hi und Ha und Hü.«
Langsam begannen wir, unsichtbar zu werden. Es ist ein ganz und gar merkwürdiges, aber sehr schönes Gefühl, wenn man unsichtbar wird: Zuerst kribbelt es ein bisschen auf der Haut, dann streicht ein leiser Wind über die Wangen, und man fühlt sich, als küsse einem die Fee Zarabzadeh aufs Ohrläppchen.
Draußen standen viele Leute. Sie schauten uns an, und einer rief. »Gibt es Sie wirklich? Haben Sie wirklich drei kleine Kinder?«
Ich wollte antworten, aber da hatten die Leute auf einmal runde Münder, und ihre Augen waren weit. Wir fanden uns plötzlich in der letzten Reihe
hinter ihnen wieder und guckten nach vorne, aber da war nichts mehr. Ich hatte Marie auf dem Arm und Anne an der Hand, und Max klammerte sich an Antjes
Hosenbein, denn ihm war noch schwindlig von alledem. »Was ist dort?«, fragte er. »Nichts, Max«, sagte ich, »gar nichts.« Murmelnd drehten sich die
Menschen um und gingen langsam weg, vorbei, ohne uns zu beachten. Wir gingen mit, eine kleine Familie, aufgelöst in Luft.
Inhalt
Erste Vorbemerkung 5
Zweite Vorbemerkung 7
Holmsen 8
Gute Nacht 10
Nervensache 12
Am Familientisch 15
»Du kennst mich nicht!« 17
Ursuppe aus Legosteinen 18
Alles vergeblich 20
Liebesspiele 22
Das UFO-Kid 25
Babysitter 27
Kostverächter 30
Limonade literweise 32
Die Kunst der Lyrik 34
Loslassen, gefälligst! 36
Schnullereien 39
Hexenkummer 41
Heißer Draht 44
Sprachgewalt 48
Entwicklungshilfe 51
Allerhand Gewürm 53
Urlaubsreisen 55
Ekelschleim 58
Genesis 60
Karius & Baktus 62
Tödliche Doris 64
Bittere Semmeln 67
Affe tot 70
Sieben Geld 74
Schöne Tage 76
Autoritätsverluste 78
Meakuhkuh 80
Kriegstreiber 82
Liebesbriefe 85
Aufgelöst 88
Vollständige eBook-Ausgabe der im Verlag Antje Kunstmann erschienenen Buchausgabe
© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2006
Litho: Reproline Genceller, München
Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN: 978-3-88897-615-5
Weitere Kostenlose Bücher