Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)
aufzubrechen und weiterzugehen. Was sollten sie auch sonst tun? Die Instrumente sahen noch ein letztes Mal hinein in das tonlose Tal, als sie plötzlich im diffusen Licht des Notenmondes etwas unter einer Felsnase schimmern sahen. Etwas, das die Form eines Dreiecks hatte.
«Tri!», riefen alle vier gleichzeitig.
Aber die Triangel schien tot zu sein. Ein Steinbrocken bedeckte ihre untere Seite. Sie bewegte sich nicht.
«Ich muss wissen, ob sie noch lebt», sagte Fendi und schwebte vorsichtig durch das Tor wieder hinein in das tonlose Tal. Sofort umhüllte ihn die bedrückende, allumfassende Stille. Langsam schwebte er unter den Felsvorsprung, zögerte kurz und nahm dann, so vorsichtig er konnte, mit der beweglichen Spitze seines geschwungenen Korpus den Stein von Tri herunter und legte ihn sanft auf den Boden. Er schaffte es, ohne ein Geräusch zu verursachen. Dann hob er die Triangel ebenso vorsichtig auf und schwebte langsam hinaus aus dem Tal.
Die anderen hatten atemlos zugesehen. Jetzt eilten sie Fendi entgegen. Der setzte Tri vorsichtig auf der Klappe des Flügels ab.
«Ist sie tot?», fragte Moog.
Niemand antwortete.
Da ging ein Zucken durch Tris Körper.
«Habt ihr das gesehen?», rief Strato.
«Ich spüre, dass sie vibriert», sagte der Flügel atemlos. «Sie lebt!»
Und wie auf Kommando erhob sich die Triangel mühsam, blinzelte und fiepte: «Hey, was starrt ihr mich so an?»
Alle lachten, außer sich vor Freude, dass die Triangel wieder unter ihnen war. Und dann erzählte Tri, wie sie kurz vor dem Tor auf ihrer halsbrecherischen Flucht von einem Stein getroffen und unter den Felsvorsprung geschleudert worden war. Sie hatte das Bewusstsein verloren und war erst wieder aufgewacht, als der Flügel «Sie lebt!» gerufen hatte.
«Das war sozusagen der Weckruf», sagte die Triangel. «Aber hier, schaut euch mal die Beule an, die der Stein hier oben reingekloppt hat.»
Alle begutachteten mitfühlend die – allerdings nicht sehr große – Beule, die Tri fortan wie eine Art Orden behandelte und immer wieder stolz vorzeigte.
Nun war die Schar der Gefährten wieder vollzählig, und das Abenteuer konnte weitergehen. Die fünf beschlossen, ihre Reise zum Bergkönig unverzüglich fortzusetzen.
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Der Bergkönig
L angsam stieg der Weg wieder an. Die Freunde verließen schließlich ohne weitere Vorkommnisse die gigantische Senke und erreichten erneut die Ebene. Weit entfernt konnten sie die schneebedeckten Berge erkennen. Dort lag ihr Ziel, und sie zogen tapfer weiter, etwas lädiert zwar, aber um die Erfahrung reicher, dass sie einer großen Gefahr trotzen konnten, wenn sie nur zusammenhielten.
Zwei Tage später erreichten die Gefährten endlich den Fuß der Berge und beschlossen erschöpft, erst einmal Rast zu machen.
«Jetzt kann es nicht mehr lange dauern», sagte der Flügel. «Schaut mal da vorn. Ein breiter Weg führt hinauf ins Gebirge. Das sieht doch fast aus wie eine Einladung, oder?»
«Na ja», fiepte Moog. «Ein Fahrstuhl wäre noch einladender.»
Bald waren die fünf wieder zu Kräften gekommen und begannen ihren Weg nach oben. Es ging höher und höher. Eisige Kälte umfing die Wanderer. Die Felswände um sie herum waren bald beinahe komplett mit Eis und Schnee bedeckt. Schließlich endete die Steigung, und eine Art Hochplateau lag vor ihnen, das von einem großen Felsmassiv begrenzt wurde.
«Ob der Bergkönig dort hinten wohnt?», fragte Strato.
Doch ehe jemand antworten konnte, durchbrach ein Rasseln und Klopfen die Stille. Abrupt blieben die Freunde stehen und lauschten ängstlich in die beginnende Dämmerung hinein. Kein Laut war mehr zu vernehmen, doch jede weitere Bewegung der fünf wurde sofort wieder von den mysteriösen Geräuschen begleitet.
Und jetzt entdeckten sie die Ursache des Lärms. Überall auf dem Plateau, hinter Felsen, im Schnee und auf den wenigen Bäumen, die hier wuchsen, hockten unzählige kleine Perkussionsinstrumente wie Rasseln, Ratschen, Bongotrommeln und Tambourins und reagierten auf jede Bewegung der Gefährten mit rhythmischem Schlagen. Offenbar handelte es sich hier um kleine Späher des Bergkönigs, die den Herrscher der Rhythmen rechtzeitig vor ungebetenem Besuch warnen sollten.
Die Freunde gingen weiter, begleitet vom ständigen Geklapper und Geraschel der königlichen Wächter. Immer wieder sahen sie leicht irritiert zu den kleinen, lauten Perkussionsinstrumenten hinüber und vergaßen sie erst, als sie endlich das
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