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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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Tri. «Und jetzt versucht mal, ein Stückchen geradeaus zu fliegen.»
    Die Gitarren flogen vorsichtig ein Stück nach vorn in Richtung des Tores. Anfangs etwas wackelig, dann aber zunehmend sicherer. Der Flügel und der Moog schienen wie von selbst durch die Luft zu schweben.
    «Es geht», sagte Strato etwas gepresst, aber guter Dinge, «lasst es uns versuchen!»
    Die Gitarren setzten den Flügel vorsichtig ab; dann bildeten die fünf Gefährten einen Kreis und hielten noch einmal zusammen Rat. Tri, so beschlossen sie, würde als eine Art Führer voraus in das tonlose Tal fliegen, auf Hindernisse achten und den Gitarren den Weg zeigen. «Ohne Worte, nur durch Gesten, Kleine», bat Strato die Triangel eindringlich.
    «Klar», fiepte Tri. «Meine Klangstäbe sind versiegelt.»

    Dann war es so weit. Die fünf brachen auf, um das tonlose Tal zu durchqueren.
    Vorsichtig trugen die Gitarren den Flügel und Moog durch das Tor. Tri flog wie ein wachsamer Vogel ständig um sie herum. Und kaum hatten sie das Tor durchquert, da spürten sie schon die bedrückende Stille um sich herum. Wie Watte legte sie sich um die Instrumente. Kein Laut war zu hören, nur diese bedrohliche, absolute Stille. Vor den Instrumenten lag ein gerade noch ausreichend breiter Weg, der zwischen den gewaltigen Felswänden hindurchführte. Tri wurde schwindelig, als sie hinaufsah und kaum den düsteren Himmel über sich erkennen konnte. Wo mochten sich hier im Gestein die unheimlichen Kreaturen verbergen, vor denen sie Moll gewarnt hatte? Und dann, kaum dass sich ihre Augen etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie die Wächter des tonlosen Tals.
    Tri hätte am liebsten laut aufgeschrien, konnte es sich aber gerade noch verkneifen, denn in zwei großen Einbuchtungen in den Felswänden, die wie große steinerne Ohren des Berges wirkten, hockten auf Felsvorsprüngen riesenhafte, furchteinflößende Gestalten. Tri erkannte etliche graue, fledermausartige Wesen mit zusammengefalteten ledrigen Flügeln. Sie schienen zu schlafen, denn sie hatten die Augen geschlossen. Aber ihre großen, spitz zulaufenden Ohren standen wachsam aufrecht, bewegten sich und horchten offenbar aufmerksam in das tonlose Tal hinein. Und zwischen diesen Riesenfledermäusen hockten weitere schlafende Kreaturen. Gnomenhafte, großohrige Wesen, die in der Felswand im Schneidersitz kauerten und in ihren groben Pranken Felsbrocken hielten. Neben ihnen waren große Haufen weiterer Steine aufgeschichtet. Man konnte sich unschwer vorstellen, wie diese gruseligen Gnome – geweckt von unachtsamen Wanderern – ihre steinerne Last hinunter ins Tal schleudern würden.
    Der Flügel hatte die Kreaturen noch nicht entdeckt, zu sehr war er mit seinem ungewohnten Flug durch das Tal beschäftigt. Er war besorgt. Würden Fendi und Strato die Kraft haben, ihn und Moog durch das ganze Tal zu tragen? Aber die beiden schlugen sich prächtig und schwebten beinahe ohne ein Ruckeln vorsichtig den Weg entlang. Der Flügel und Moog vermieden jede Bewegung, um ihre beiden Träger nicht zu irritieren. Die Gitarren konnten den Weg unter sich gut erkennen. Dann aber beschrieb der Pfad durch das tonlose Tal eine Kurve und wurde schmaler. Der Flügel kam einem Felsvorsprung, den Strato und Fendi nicht erkennen konnten, bedrohlich näher. Immer näher. Gleich würden sich der Felsen und der große Hohlraum des Flügels berühren und ein lautes Geräusch verursachen. Doch Tri hatte aufgepasst und flog wedelnd und grimassierend unter den Flügel und lenkte die Gitarren schließlich gestenreich um die Kurve herum, ohne dass es einen Laut gab.
    Jetzt ging es vor allem geradeaus. Zwar lastete die absolute Stille auf allen wie ein Albdruck, aber die Gruppe kam gut voran. Bald konnte Tri schon das Tor erkennen, das hinaus aus dem tonlosen Tal führte. Es war nicht mehr weit – da begann der Flügel plötzlich zu wackeln und sank ein Stück hinab. Tri flog schnell zu den Gitarren und sah, was geschah. Beiden Instrumenten war die Anstrengung anzusehen. Sie zitterten am ganzen Korpus. Was anfangs leicht zu sein schien, entpuppte sich über die gesamte Strecke durch das Tal als mörderische Strapaze. Besonders Strato, die den Flügel vorn trug, schien am Ende ihrer Kräfte zu sein. Immer weiter drückte das Gewicht des schweren Freundes die Gitarre hinunter. Jetzt waren es nur noch wenige Zentimeter. Strato sah, was passierte, drückte den Flügel noch einmal mit aller Kraft ein Stückchen hoch, doch dann verließen

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