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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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Energie verband sich mit gewaltigem Donner zu einem akustischen Inferno. Einen Moment lang klang es wie das Knurren eines wütenden Dämons. Die ganze Halle erzitterte, ein Feuerball stand in der Luft, verharrte wie eine künstliche Sonne für einen Sekundenbruchteil dort und schoss dann mit unwiderstehlicher Kraft in Richtung der Guarneri.

    Die Violine warf sich erschrocken zur Seite, doch der Feuerball schlug mit Urgewalt in die Wand hinter ihr ein. Es krachte gewaltig, und die Luft war erfüllt von herumfliegenden Marmorbrocken. Dann hörte man ein grauenhaftes Knirschen. Die Statuen zu beiden Seiten der Guarneri waren am Sockel getroffen worden und verloren dadurch ihren Halt. Dröhnend stürzten sie in sich zusammen und begruben die Geige unter sich.

    Der Flügel und seine Gefährten standen wie erstarrt im Raum. Langsam lichtete sich der Nebel aus Staub.
    «Ist jemand von euch verletzt?», fragte der Flügel.
    Alle verneinten.
    «Aber du», rief Moog und schwebte besorgt zum Flügel hin. «Guck dir deine linke Seite an. Da ist eine Delle drin, und das Holz ist abgesplittert.»
    «Ich weiß», sagte der Flügel. «Es brennt etwas, aber sonst geht es. Ich bin froh, mit dem Leben davongekommen zu sein.»
    «Wahnsinn, dieser Kampf», sagte Strato. «Ich bin echt beeindruckt, was du alles fertigbringst, Flügel.»
    «Ich auch», sagte die Celesta leise und rollte dicht an den Flügel heran.
    Der spürte, wie ihm auf einmal sehr warm um die Tasten wurde.
    «Also», sagte Fendi. «Wir können hier jetzt noch eine Weile rumstehen und uns freuen, aber ich finde, wir sollten dringend diesen Geheimgang suchen, der uns zur Lyra führt. Dieser Kampf hat einen Heidenlärm gemacht. Bestimmt kommen gleich Theodoras Leute.»
    Und als ob seine Worte gehört worden wären, ertönte von weiter oben Musik.
    Alle erstarrten.
    «Was passiert da?», fragte Moog.
    «Das ist das Seikilos-Lied», antwortete die Celesta.
    Und in diesem Moment fielen dem Flügel Theodoras Worte ein, die er damals im Turm gehört hatte: «Alle hundert Jahre steht der Notenmond in einer besonderen Konstellation. Wenn er in dieser Zeit seinen höchsten Punkt erreicht hat und senkrecht über der Ebene in einer Linie mit dem großen Gebirge steht, dann öffnet sich für eine kurze Zeit ein Riss in den Dimensionen. Die Menschenwelt mit all ihrem musikalischen Chaos wird verwundbar sein …»
    «Es beginnt!», rief der Flügel. «Der Notenmond. Das älteste Lied der Welt. Sie wollen die magische Drift erzeugen!»
    «Aber wie denn?», rief Moog. «Die Guarneri fehlt. Du sagtest doch, dass keines der besten Instrumente fehlen darf.»
    «Es fehlt auch keines», sagte die Celesta leise. «Die Guarneri hat vor kurzem eine neue Geige herbringen lassen. Eine Stradivari. Die war in der Menschenwelt ihre größte Konkurrentin, und sie wollte Theodora unbedingt beweisen, dass sie besser als die ist. Die Erhabene lässt nun wohl diese neue Geige spielen. Aber warum?, frage ich mich. Warum sucht sie nicht nach der Guarneri?»
    «Weil ihr die Zeit davonläuft», erklärte der Flügel. «Nur in den folgenden Minuten öffnet sich ein Riss in den Dimensionen. Theodora greift nach der Menschenwelt. Wir müssen uns beeilen und diesen Geheimgang finden. Lasst uns suchen. Los!»
    «Nicht mehr nötig», piepste Tri und deutete auf das große Loch, das der Musik-Feuerball in die Wand gerissen hatte.
    Alle sahen hin – und tatsächlich. In der Aufregung hatte es bisher keiner bemerkt, aber die Explosion hatte den hinter der Mauer verborgenen Geheimgang freigelegt. Man konnte hinter Schutt und Geröll deutlich den mit quadratischen Steinen ausgekleideten runden Weg erkennen, der unter das Monument führte.
    «Los», rief der Flügel. «Lasst uns den Einstieg freiräumen und dann nichts wie rein.»
    Mit vereinten Kräften schafften sie es schnell, den Eingang so weit von Hindernissen zu befreien, dass selbst der Flügel hindurchpassen würde.
    Niemand sprach dabei, denn die unheilverkündende Melodie des Seikilos-Liedes tönte durch die Halle, gedämpft durch Tonnen von Stein, aber deutlich zu hören. Und von draußen registrierten die Gefährten ein unheimliches Brausen, anders als der übliche Wind. Dieses Geräusch war viel tiefer und wurde immer wieder von Gewitterdonner unterbrochen.
    «Die magische Drift», dachte der Flügel. Doch als er das seinen Freunden zurufen wollte, hörte er noch etwas anderes – ein Stöhnen und Jammern und dann die Worte: «Helft mir!»
    Der

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