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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Rückweg, durch kalte blaue Tigerstreifen aus Licht, schien alles zu gerinnen und in Zeitlupe zu erstarren – ein Kinderarm schwebte vorbei, traumartig und leichenweiß, irgendein Kinderbein, an dessen abstehenden Härchen winzige weiße Bläschen hingen, rollte sich mit langsamem, schäumendem Stoß vorüber, und das Blut rauschte ihr in die Schläfen und flutete zurück und rauschte herein und flutete zurück und rauschte wie Meeresbrandung an einem Strand. Dort oben – schwer vorstellbar – rasselte das Leben in leuchtenden Farben weiter, bei hoher Temperatur und Geschwindigkeit. Kinder kreischten, Füße klatschten auf heißem Zement, Kinder hockten in feuchte Handtücher gehüllt auf dem Boden und schlürften blaue Eisstangen, blau wie das Poolwasser. »Bomb Pops« hießen sie. Bomb Pops. Sie waren die neueste Mode, die beliebteste Süßigkeit in diesem Jahr. Fröstelnde Pinguine an der Kühltruhe am Getränkestand. Blaue Lippen... blaue Zungen... Frösteln und Frösteln und klappernde Zähne, so kalt...
    Sie brach mit ohrenbetäubendem Krachen durch die Oberfläche wie durch eine Glasscheibe; das Wasser war flach, aber nicht so flach, dass sie wirklich darin stehen konnte, und so hüpfte sie nach Luft schnappend auf den Zehenspitzen auf und ab, während Pemberton, der interessiert zugesehen hatte, sich elegant ins Wasser stürzte und zu ihr herausglitt.
    Ehe sie sich versah, hatte er sie gewandt umschlungen, und plötzlich lag ihr Ohr an seiner Brust, und sie schaute hoch und sah die nikotingelbe Rückseite seiner Schneidezähne. Sein lohbrauner, scharfer Geruch, erwachsen, fremdartig und für Harriet nicht wirklich angenehm, überlagerte sogar das Chlorwasser.
    Harriet drehte sich aus seiner Umarmung, und sie fielen auseinander, Pemberton auf den Rücken, mit einem harten Klatschen, das eine Wand aus Wasser aufspritzen ließ, während Harriet plantschend zum Rand schwamm und ziemlich großspurig hinauskletterte. In ihrem gelb-schwarz gestreiften Badeanzug sah sie aus wie eine Hummel (sagte Libby).
    »Was denn? Hast du es nicht gern, wenn man dich aufgabelt?«
    Sein Tonfall war nachsichtig und zärtlich, als wäre sie ein Kätzchen, das ihn gekratzt hatte. Harriet runzelte die Stirn und trat ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht.
    Pem duckte sich. »Was ist denn los?«, fragte er frotzelnd. Er wusste genau – aufreizend genau –, wie gut er aussah mit seinem überlegenen Lächeln und den ringelblumenblonden Haaren, die hinter ihm im blauen Wasser wehten, ganz wie der lachende Nix in Edies illustrierter Tennyson-Ausgabe.
    Wärst du gern je
ein Wassermann kühn,
der sitzt allein
und singt allein
tief unten im See
im Goldkronenglühen
    »Hmmn?« Pemberton ließ ihren Fußknöchel wieder los, bespritzte sie leicht und schüttelte dann den Kopf, dass die Tropfen flogen. »Wo ist mein Geld?«
    »Welches Geld?« Harriet war verdattert.
    »Ich hab dir beigebracht, wie man hyperventiliert, oder? Das lernt man sonst nur in teuren Tauchkursen.«
    »Ja, aber das ist alles, was du mir gesagt hast. Den Atem anhalten, das übe ich jeden Tag.«
    Pem wich mit gekränkter Miene zurück. »Ich dachte, wir hätten eine Abmachung, Harriet.«
    »Haben wir nicht!« Harriet konnte es nicht ausstehen, wenn man sie aufzog.
    Pem lachte. »Schon gut. Ich sollte dich für den Unterricht bezahlen. Sag mal«, er tauchte den Kopf unter Wasser und kam wieder hoch, »ist deine Schwester immer noch so mies drauf wegen der Katze?«
    »Ich nehme es an, ja. Warum?«, fragte Harriet ziemlich argwöhnisch. Pems Interesse an Allison war ihr unerklärlich.
    »Sie sollte sich einen Hund anschaffen. Hunde können Kunststücke lernen, aber Katzen kann man überhaupt nichts beibringen. Denen ist das scheißegal.«
    »Ihr auch.«
    Pemberton lachte. »Na, dann ist ein kleiner Hund genau das, was sie braucht, glaube ich. Im Clubhaus am schwarzen Brett bietet jemand Chow-Chow-Welpen an.«
    »Sie möchte aber lieber eine Katze haben.«
    »Hat sie je einen Hund gehabt?«
    »Nein.«
    »Na, siehst du. Sie weiß nicht, was ihr entgeht. Katzen sehen aus, als ob sie wüssten, was los ist, aber sie sitzen bloß rum und glotzen.«
    »Weenie nicht. Der war ein Genie.«
    »Klar.«
    »Nein, wirklich. Er hat jedes Wort verstanden, das wir zu ihm gesagt haben. Und er hat versucht, mit uns zu sprechen. Allison hat dauernd mit ihm geübt. Er hat getan, was er konnte, aber sein Mund war einfach zu anders, und die Laute kamen nicht richtig raus.«
    »Darauf wette

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