Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Pulver. Ballert dich glatt durchs Fenster, verdammt. Hab letzte Woche fast den Verstand verloren, als ich mit dem jodstinkenden Zeug rumgepanscht hab. Hab’s durch Lösungsmittel gejagt, durch Ringelflechtentinktur, was weiß ich alles, und der Stoff ist immer noch so klebrig, dass ich ihn mit ’m Hammer nicht in die Nase kriege. Eins ist verdammt sicher, das kann ich dir sagen.« Glucksend ließ er sich in seinen Liegestuhl zurückfallen und umklammerte die Armlehnen, als werde er gleich durchstarten. »Eine Charge wie die, egal, wie du sie verschneidest...« Plötzlich fuhr er kerzengerade hoch und schrie: »Ich hab gesagt, schaff mir das Ding vom Hals!«
Ein Klatschen, ein erstickter Schrei. Danny machte einen
Satz, und aus dem Augenwinkel sah er die kleine Katze durch die Luft fliegen. Curtis, dessen klumpige Züge zu einer starren Maske aus Trauer und Angst gefroren waren, rieb sich mit der Faust das Auge und stolperte hinterher. Es war das letzte Kätzchen aus dem Wurf; Farishs Schäferhunde hatten die andern schon erledigt.
»Ich hab’s ihm gesagt.« Farish erhob sich bedrohlich. »Ich hab’s ihm wieder und wieder gesagt, er soll diese Katze niemals in meine Nähe lassen.«
»Stimmt«, sagte Danny und schaute weg.
Nachts war es immer zu still bei Harriet zu Hause. Die Uhren tickten zu laut; jenseits der flachen Lichtkreise der Tischlampen wurden die Zimmer höhlenhaft düster, und die hohen Decken wichen in scheinbar endlose Schatten zurück. Im Herbst, wenn die Sonne früh unterging, verstärkte sich diese Stimmung noch. Aber auf zu sein und nur Allisons Gesellschaft zu haben war in mancher Hinsicht schlimmer, als nachts allein zu sein. Sie lag am anderen Ende der Couch, das Gesicht aschblau im Schein des Fernsehers, und ihre nackten Füße ruhten auf Harriets Schoß.
Harriet starrte Allisons Füße müßig an. Sie waren feucht und schinkenrosa und merkwürdig sauber, wenn man bedachte, dass Allison die ganze Zeit barfuß herumlief. Kein Wunder, dass Allison und Weenie sich so gut verstanden hatten. Weenie war mehr Mensch als Katze gewesen, aber Allison war mehr Katze als Mensch. Sie tappte ständig allein durch die Gegend und ignorierte alle andern, aber sie hatte nicht das geringste Problem damit, sich neben Harriet zusammenzurollen, wenn sie Lust dazu hatte, und ihre Füße auf Harriets Schoß zu legen, ohne zu fragen.
Allisons Füße waren sehr schwer. Plötzlich zuckten sie heftig. Harriet hob den Kopf und sah, dass Allisons Lider flatterten. Sie träumte. Sofort packte Harriet den kleinen Zeh und bog ihn zurück, und Allison schrie auf und zog das Bein an wie ein Storch.
»Was träumst du da?«, wollte Harriet wissen.
Allison, in ihre Wange hatte sich ein rotes Waffelmuster vom Sofa geprägt, schaute sie mit schlaftrunkenen Augen an, als erkenne sie sie nicht... nein, nicht ganz, dachte Harriet, die die Verwirrung ihrer Schwester mit scharfem, aber ungerührtem klinischem Blick betrachtete. Es ist, als ob sie mich sieht und noch etwas anderes.
Allison legte sich die gewölbten Hände auf die Augen. So blieb sie kurz liegen, ganz still, und dann stand sie auf. Ihre Wangen sahen geschwollen aus, ihre Lider schwer und undurchschaubar.
»Du hast geträumt.« Harriet behielt sie fest im Auge.
Allison gähnte. Sie rieb sich die Augen und wankte schlaftrunken auf die Treppe zu.
»Warte!«, rief Harriet. »Was hast du geträumt? Erzähl’s mir!«
»Kann ich nicht.«
»Was heißt das, du kannst nicht? Du willst nicht!«
Allison drehte sich um und sah sie an – seltsam, wie Harriet fand. »Ich will nicht, dass es wahr wird«, sagte sie und wandte sich zur Treppe.
»Dass was wahr wird?«
»Was ich eben geträumt habe.«
»Was war es denn? Ging es um Robin?«
Allison blieb auf der untersten Stufe stehen und drehte sich um. »Nein«, sagte sie, »es ging um dich.«
»Das waren nur neunundfünfzig Sekunden«, sagte Harriet kühl, während Pemberton hustete und prustete.
Pem klammerte sich an den Beckenrand und wischte sich mit dem Unterarm über die Augen. »Quatsch«, brachte er keuchend hervor. Er war kastanienbraun im Gesicht, fast wie Harriets Schuhe. »Du hast zu langsam gezählt.«
Mit lang gezogenem, zornigem Pusten blies sie alle Luft aus ihrer Lunge. Dann atmete sie ein Dutzend Mal tief und heftig ein und aus, bis sich in ihrem Kopf alles zu drehen begann. Auf
dem Höhepunkt des letzten Atemzugs tauchte sie unter und stieß sich ab.
Die eine Strecke war einfach. Auf dem
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